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Salka
 

 

Heimat – was bedeutet dieser Begriff für mich                                                                                                                                            18.01.2020

 

Im Allgemeinen wird in Deutschland unter „Heimat“ eines Menschen meist seine Herkunft verstanden, ihr oder sein Ort der Kindheit, der Sehnsucht, der ewigen Verbundenheit, eventuell auch der Verantwortung. Bei mir ist das anders, ich bin eine Reisende. Geboren wurde ich in der Nähe der Ostsee, in Greifswald und meine Liebe zum weiten Blick über das Meer, zu Backsteinstädten, Zitterpappeln und der Schlichtheit des Nordens begleitet mich. Meine ältere Kindheit und Jugend verlebte ich in Berlin, im Osten, mit dem Bewusstsein des Abgeschnittenseins von der Welt. Manchmal träumte ich von Kanadas oder Schwedens unendlicher Natur. In Wirklichkeit wurde ich ein Stadtmensch, lernte das Fahren mit Straßenbahnen und S-Bahnen lieben und wurde neugierig auf die Vielfalt der Menschen, die auch in unserem Teil der Großstadt Berlin sichtbar war. Verreist war ich mal nach Polen oder in die Tschechoslowakei, selbst Prag kannte ich nicht. Doch litt ich nicht darunter, weil mein Leben auch so ausgefüllt war. Mich störte vor allem, dass ich selbst mein Heimatland Deutschland im Osten kaum kannte und im Westen nicht kennen lernen durfte! Mein Studium begann ich in Rostock, beendete es in Berlin, zog vor die Tore der großen Stadt nach Eberswalde schon fast in Polen, um dort meine Kinder in mehr Natur aufwachsen zu lassen. Nach dem Fall der Mauer konnte ich mittels vieler Dienstreisen endlich durch unser wunderschönes Land im Herzen Europas fahren und einige Gegenden und Städte kurz besuchen. Seit ich vierzig Jahre alt bin, wohne ich in meiner Lieblingsstadt Hamburg – und definierte als meine Heimat großzügig den Norden Deutschlands. Hier verband ich mich mit einem Mann, der „schon immer“ in VW-Bussen in jeder freien Zeit durch die Gegend zog, ausschließlich in Europa. Seitdem veränderte sich mein Reisen von Lebensstation zu Lebensstation in ein Vagabundenleben mit fester Wohnung in Hamburg. Zwanzig Jahre lang ist nun Hamburg, speziell der hübsche grüne Stadtteil Bergedorf, mein Zuhause. Ja, mein Zuhause – doch wo ist meine Heimat? Immer noch der Norden Deutschlands?

 

Im Laufe der letzten zwanzig Jahre, vor allem der langen halbjährlichen Reisen nach Süden seit 2009, änderte sich mein Gefühl für die geographischen Zusammenhänge, in denen ich lebe. Auch die vielen Gespräche und Erlebnisse mit Menschen in verschiedenen Gegenden Europas veränderten mich. So ein romantisch verklärtes Heimatgefühl ist wahrscheinlich typisch deutsch. Selbst den Begriff gibt es nicht in allen europäischen Sprachen. Vielerorts wird keine Verantwortung für die bewohnte Umgebung verbunden. So sahen wir im wunderschönen Salento noch direkt am Meer ganz von Müll übersäte Flächen. Dabei lässt sich kein Italiener den Zugang zu seinem geliebten Meer verwehren. Doch der Strand gehört der Allgemeinheit, also – was soll‘s? Oder an der Algarve, der ziegelroten zerklüfteten südwestlichsten Küste Europas, wird gnadenlos Land an Golfplatzbetreiber verkauft. Wir sehen keine Naturschutzgebiete, keine aufgeregten Demonstrationen von Portugiesen, dafür in den weichen roten Kalkstein getrampelte Touristenpfade und abbröckelnde Fotomotive. Auch wir könnten noch viel mehr für den Erhalt unserer empfindlichen Natur tun, doch ein gewisses Bewusstsein für einen sorgsamen Aufenthalt auf Wegen und Wiesen lehrte mich schon meine 1900 geborene Großmutter. Heimatgefühl bedeutet doch für uns auch die Sorge für unsere heimatliche Umgebung mit zu tragen. Oder irre ich mich da?

 

Nachdenklich machte mich auch meine einmonatige Reise nach Kalifornien. Meine Freundin und ich fuhren eine Woche von San Francisco die Route 1 in Richtung Los Angeles. Rechts der Pazific, vor uns rote Felsen, links grün gesprenkelte Ödnis. Meilenweit. Meilenweit. Meilenweit. Mir wurde schwindelig vor so viel Weite. Auch die Besuche kleinerer Orte am Weg und zweier berühmter Nationalparks vertieften in mir vor allem einen Eindruck der Endlosigkeit dieses Landes. Unser europäisches Gefühl ist mehr geprägt von vielen Menschen auf kleinem Platz und schwindenden Rohstoffen. Wir spüren mehr, dass es knapp für uns wird und wir etwas tun müssen. Davon bin ich überzeugt.

 

Als mein Mann und ich begannen, regelmäßig im Winter in unserem VW-Bus in südliche Richtung zu verschwinden, befürchtete ich unter anderem sehr, viele mir liebe Menschen und Zusammenhänge zu verlieren. Meiner Familie und meiner besten Freundinnen war ich mir sicher, aber ansonsten? Werde ich jetzt entwurzelt? Kontaktlos? Heimatlos? Das Gegenteil traf ein! Europaweit lernten wir interessante und uns wohlgesonnene Menschen kennen. Wir singen, lachen und reden überall möglichst mit Einheimischen, aber auch mit Reisenden wie uns oder Sonnenflüchtlingen aus vielen europäischen Ländern, die im Süden ihr Glück suchen. Neue Freundschaften entwickelten sich, alte vertieften sich, im Sophien-Cafe fand ich in Hamburg eine neue wunderbare Gemeinschaft, unsere Kirchengemeinde wählte mich in den Kirchengemeinderat und es gelang mir, das Thema Klimaschutz zu etablieren. Gerade in diesen Jahren des Weggerissenseins von zu Hause verlor ich mein lebensbegleitendes Empfinden, fremd unter den Menschen zu sein. Ich gewann an innerer Ruhe, an gutem Selbstverständnis, an toleranter Kenntnis. Heutzutage kann ich schnell auf andere zugehen und entspannt „small talken“, geduldig Entwicklungen abwarten und mit langem Atem Verbindungen halten. Ich weiß, wo und bei wem ich zu Hause bin und mit welchen Menschen ich tiefer verbunden bin. Aber was ist meine Heimat?

 

Einmal stand ich in der aufregenden Hafenstadt Cadiz unter einem riesigen Gummibaum, der außer seinen dicken Wurzeln unten am Stamm auch eine Vielzahl von den Ästen herunter hängenden Luftwurzeln entwickelt hatte. So fühle ich mich! Mein Stamm ist Europa, meine Wurzeln sind die nördlichen deutschen Gegenden, meine Luftwurzeln sind die vielen menschlichen Kontakte, die mich stabilisieren und nähren. Meine Heimat ist Europa.

 

Singend ziehen wir durch die Lande. Gestern saßen wir in einem spanischen Restaurant, ein Sammelpunkt für musikliebende Europäer, die an der Costa del Sol die Sonne suchen. Viele Leute saßen mit ganz unterschiedlich geformten Gitarren in einer großen zwanglosen Runde, manche hielten Trommeln in den Händen, eine zarte Frau spielte eine winzige Metallflöte. Melodien wurden angestimmt, solo gespielt und gesungen oder mehrere Musizierende und Zuhörer stimmten mit ein. Manche fügten ihres zögerlich und verhalten dazu, andere selbstbewusster und kräftiger. Es wurde ausprobiert, sich angesehen, zugenickt und zugelächelt, schön oder experimentell gemeinsam ein Klangteppich erzeugt. Heimat, europäische Musik mit keltischen Wurzeln, irisch geprägt, in unser aller Ohren durch viele Songs vertraut.

 

Da bin ich Norddeutsche im Süden und gleichzeitig der kleine spanische Junge, der jauchzend über den Strand rennt, die portugiesische alte Frau mit den abgearbeiteten Händen und dem traurigen Blick, die auf dem Boden liegende schluchzende junge Frau im Regen, die tanzende herbe Spanierin, der alte zerfaltete Franzose am Meer…

 

Ich bin Europäerin, glücklich über den langwährenden Frieden und voller Hoffnung auf unsere menschliche Vernunft, diesen traumhaft schönen „kleinen Fliegenschiss“ auf dem Globus zu erhalten in Natur, Kultur, Künsten, Wissenschaft, Vielfalt und dennoch in Einheit. Hier können und müssen Zeichen gesetzt werden für Klimaschutz, ökologische Landwirtschaft, demokratisches Miteinander. Europa ist meine Heimat.

 

 

 

Zwei Bergedorfer unterwegs nach Süden

Auf unserer langen Reise nach Süden möchten wir weiter regelmäßig Gottesdienste besuchen. Von früheren Reisen her erinnern wir uns an schöne und seltsame Erlebnisse mit evangelischen Christen in der Diaspora oder mit katholischen Christen zum Beispiel Weihnachten in Portugal. Nun möchte ich in loser Folge von solchen Begegnungen berichten.

Diesmal besuchten wir auf unserer ersten Station in Köln am Sonntag, dem 4.10.09 eine kleine evangelische Gemeinde in der dortigen Stegerwaldsiedlung im Stadtteil Mühlheim. Da sich die Gemeinde in einer katholischen Kirche eingemietet hat, findet der Gottesdienst einmal im Monat am Sonntagnachmittag statt. Auch der Schaukasten vor der Kirche wird gemeinsam mit der katholischen Gemeinde genutzt. Beide Gemeinden feiern zusammen gut und fröhlich Weihnachten, doch das darf der Kardinal nicht wissen!

 Zum Erntedankfest befanden sich mit uns weitere 15 Personen in der ungewöhnlich kargen Kirche, die mit einem schlichten Herbststrauß  geschmückt war. Vor allem ältere Menschen lauschten der Predigt, sangen oder waren wie wir beeindruckt von dem mächtigen Klang des Orgelspiels. Die sehr groß dimensionierte Orgel wurde von dem international bekannten Kirchenmusikdirektor Spering gespielt. Bei Kaffee und vom Pastor selbst gebackenen Kuchen erfuhren wir dann, dass die Gemeinde zum Stadtteil Mühlheim/Köln gehört und im nächsten Jahr ihr 400. Bestehensjahr feiert. Im 17. Jahrhundert durften in Köln selbst - linksrheinisch – evangelische Christen weder leben noch arbeiten. Also zogen sie nach Mühlheim und breiteten sich rechtsrheinisch aus. Jetzt müht sich die kleine Gemeinde um ihr Weiterbestehen. Finanziell gute Chancen haben sie, da ihnen ein kirchlicher Friedhof von alters her gehört, dessen Betrieb Gewinn abwirft! Nun hofft die Gemeinde noch auf neue jüngere Mitglieder...

 

Die evangelische Gemeinde der Stegerwaldsiedlung – Mühlheim/Köln lässt herzlich die Gemeinde St. Petri und Pauli in Bergedorf grüßen!

 

 

 

 

 

Erster Advent in Luz (Portugal)

Endlich, nach vielen Wochen, die wir vergeblich nach einer Evangelischen Kirche Ausschau hielten, besuchten wir zum Ersten Advent in Luz an der Algarve eine Anglikanische Kirche, deren Gottesdienst dem unseren vertraut wirkte.

Luz ist ein sehr gepflegter Ort mit wunderschönen, architektonisch interessanten Anwesen, die größtenteils von vermögenden Engländern bewohnt werden. Ende November blühten in vielen Vorgärten prächtige Blumen und Sträucher. In den Cafes und Supermärkten trafen sich ansässige Engländer zum Schwätzchen und wurden von den portugiesischen Kellnern und Kassiererinnen selbstverständlich englisch angesprochen.

Der Gottesdienst fand in einer kleinen katholischen Kirche statt, in der die Anglikanische Gemeinde St. Vincent’s Anglican Church, Algarve, aktiv sein darf. Zum Ersten Advent war 12.00 Uhr ein Familiengottesdienst mit Taufe angekündigt, Gäste wurden dazu ausdrücklich eingeladen. Vor der Kirche standen zwei freundliche ältere Damen, welche uns leckeres Gebäck verkauften. Mürbeteigtörtchen gefüllt mit in Whisky eingelegten Früchten. Im Altarraum scharten sich ungefähr zwanzig Kinder im Kindergarten- und jüngeren Schulalter um den Pastor, der sie mit um die Soutane gehängter Gitarre begleitete.

Uns wurde wie allen Versammelten außer dem Liederbuch (leider ohne Noten) eine kleine Sammlung üblicher Liturgien ausgehändigt. Los ging’s mit dem Gesang der Kinder. Zu unserem Erstaunen wurden auch alle Lesungen von den noch kleinen Kindern vorgelesen, abwechselnd und sehr ausdrucksstark. Zwei vierzehnjährige Jungen spielten dezent Gitarre und am Harmonium saß eine gesetzte Dame. Alle Gebete wurden vom Pastor angesagt und konnten von uns mitgelesen, verstanden und gebetet werden. Endlich wieder das Vaterunser in Gemeinschaft beten und an einem Abendmahl teilnehmen, das tat uns gut.

Die Taufe wurde wie bei uns zelebriert. Auf eine Predigt warteten wir allerdings vergeblich. Dafür trug der Pastor ein purpurfarbenes glänzend besticktes Seidencape´ und ging sowohl mit den Kindern sehr souverän um, als auch beim angenehm ruhigen Zelebrieren des Abendmahles.

Nach einem abschließenden Gesang der Kindergruppe mit choreografischen Bewegungen und der Segnung durch den Pastor, schüttelten uns die umstehenden Menschen herzlich die Hände und luden uns zum Wiederkommen ein.

Wer weiß? Eine Weile bleiben wir wohl noch in dieser gastlichen Gegend in und um Lagos.

 

 

 

Sonntag Septuagesimae in Bolnuevo (Spanien)

 

Inzwischen fuhren wir um die Südküste Spaniens herum an die südliche Ostküste. Die Internet – Wetterberichte versprachen uns hier zwar kühleres aber sonniges Wetter, dieses fanden wir auch vor. Um in diesem für ganz Europa extrem kalten Winter in so einem kleinen ungeheizten Gefährt wie unserem Bus gut leben zu können, muss man findig sein. Also fahren wir immer am Meer entlang, um dessen riesigen Wärmespeicher zu nutzen und stellen unseren Bus möglichst viel in die Sonne.

So stehen wir nun in Bolnuevo am Strand und suchten einen Evangelischen Gottesdienst in der Nähe. Im Ort wohnen auf einem großen Campingplatz und auf einem Villenberg sehr viele Deutsche und Engländer. Trotzdem finden wir nur eine kleine katholische Kirche auf einem Hügel, von dem man weit übers Meer schauen kann. Die „Iglesia de la Purisma Bolnuevo“ ist der Virgen de Bolnueva – einer der Legende nach übers Meer in einem Fischerboot angefahrenen Jungfrau gewidmet. Außen an der weißen Kirchenwand ist ein hübsches gekacheltes Bild eingelassen mit dieser Marienfigur, welche eine goldene Krone trägt und in einen hellblauen goldbestickten Umhang gehüllt ist. Auch der Altarraum innerhalb der Kirche ist für uns fremdartig von diesem Marienbild dominiert, während Jesus eher wenig Raum gewährt wird. Ein junger freundlicher Priester und viele einheimische Gottesdienstbesucher befinden sich in dem kühlen wunderschön in weiß – blau – gold renovierten Bau, der direkt an den Turm einer alten Festungsanlage gebaut wurde. Vor der Kirche stehen mehrere weitere Bänke, die Tür bleibt offen, etliche Besucher verfolgen das Geschehen von draußen im Sonnenschein – am 31. Januar!

Es wurden keine Liederbücher ausgegeben. Wozu auch, die strenge Liturgie wurde von der Gemeinde nur durch bekannte Gebete oder wenige Lieder begleitet. Von der Predigt verstand ich leider gar nichts, während Klaus die zugrunde liegenden Lesungen durch die genannten Namen und den Rhythmus der Geschichten erkannte. Als sich nach der „Wandlung“ alle die Hände reichten und auch uns mit einschlossen, bekam ich eine große Sehnsucht danach, endlich wieder eine Predigt verstehen zu können und mich von einem Gottesdienst in meinem Denken, Fühlen und Glauben anregen zu lassen. Während wir die letzten Minuten auf einer sonnigen Bank vor der Kirche saßen – denn an dem katholischen Abendmahl nahmen wir selbstverständlich nicht teil – besprachen wir, Andreas Baldenius um seine Predigt zu bitten.

Diese kam in den nächsten Tagen prompt per mail zu uns in den Bus „geflattert“ und zu unserem Erstaunen stellten wir fest, dass es um dieselben Lesungen und Inhalte ging wie in Bolnuevo, doch für uns verständlich aufbereitet und in vertrauter Weise gepredigt.

So saßen wir in der Sonne am blau glitzernden Mittelmeer in Südspanien und dachten über eine Predigt nach, die Ihr gerade im kalten vereist und verschneit glitzernden Bergedorf gehört hattet.

 

 

 

 

In der Toskana –

Begegnung in der Diaspora

 

Einen schönen sommerwarmen Tag schenkte uns heute noch einmal der November. Wir fühlen uns auch von innen besonnt durch den gestrigen gemeinsamen Abend mit evangelischen Christen, der erstaunlich international verlief.

Tags zuvor entdeckten wir in Orbetello – einem kleinen Ort ca. 150 km nördlich von Rom – in einer Seitenstraße ein unscheinbares graugelbes Haus inmitten der Häuserzeile mit der Aufschrift „Chiesa Evangelica“ und der Ankündigung von Gottesdiensten immer sonntags zehn Uhr und am Dienstagabend halb neun.

Also verschoben wir unsere Weiterfahrt und klinkten am Dienstag freudig etwas zu früh die Tür auf, machten einen Schritt durch einen winzigen Vorraum und sahen in sechs überraschte Augenpaare. Unsicher stellten wir uns vor und wurden herzlich begrüßt, am Gesprächskreis zum Thema“ Glaube und Wunder“ teil zu nehmen.

Der italienische Diakon las einen Text vor, in dem er einen Bogen schlug von Abraham über Daniel und Jesus bis in die moderne Zeit. Das junge Mädchen neben ihm und eine ältere Italienerin lauschten aufmerksam. Konzentriert hörte auch der aus Moldawien stammende, dem Kirchenvorstand zugehörige, rumänische Mann auf der anderen Seite im Stuhlkreis zu. Die schöne schwangere Ukrainierin kuschelte sich an ihren rumänischen Ehemann, der den Text ins Rumänische übersetzte und der enthusiastische junge Rumäne neben uns übersetzte dann alles rasch ins Englische. Was ich nicht verstand, übersetzte Klaus mir ins Deutsche. Im Laufe des Abends erzählten wir uns zunehmend auch unsere unterschiedlichen Lebenswege und ich sprach mit dem Moldawier ein paar Sätze russisch.

Die Rumänen arbeiten in Italien und versorgen somit ihre Familien zu Hause. Ähnlich wie wir sind sie froh, in dieser kleinen evangelischen Gemeinde eine Heimat in der Fremde gefunden zu haben. Später sangen sie uns leise – wegen der Nachbarn im Haus - einige Lieder vor. In dem alten kellerähnlichen Gewölbe mit dicken dunklen Holzbalken hallte der Klang. Die vier Wanderarbeiter sind geübt im Singen, weil sie mit ihrer kleinen Band regelmäßig diese italienischen geistlichen Lieder auf der Straße singen und missionieren.

Unser enthusiastischer Sitznachbar spielte Gitarre und schüttelte nachdenklich den Kopf: „Da sind wir alles Rumänen und singen italienische Lieder für Euch Deutsche, auch das ist Christentum.“

Später rückten wir in einen engeren Kreis zusammen, fassten unsere Hände und beteten, für unsere Familien zu Hause und für uns Reisende.

Ein wenig fühlte ich mich wie in uralten Zeiten, als erst wenige Menschen an Jesus glaubten und noch versteckt zusammen rückten.

 

 

 

Église Réformèe de France

 

Wieder ein Gottesdienst bei weit offener Tür durch die man den Trubel eines französischen Sonntages hört, dabei sind wir noch gar nicht so weit im Süden.

Martigues ist eine mittelgroße provenzialische Stadt in der Nähe von Marseille, geprägt von der Erdölindustrie in Fos sur mer. Wir sind gern hier, wohnen auf der Ile in Petit Venice. Auch die protestantische Kirche kennen wir bereits seit einigen Jahren, erlebten sie mit wechselnden Pastoren, kennen aber leider keinen aus der Gemeinde. Dennoch werden wir sehr herzlich begrüßt von den vielleicht zwanzig Kirchgängern und der rotblonden Pastorin in weißen Jeans, pinkfarbigem Shirt und einem dezent geblümten Blazer darüber.

Wir tauchten, nachdem wir über den lebhaften bunten Markt am Etang schlenderten, in die ruhige Schlichtheit der Kirche ein. Hellgraue Betonwände, kissenlose einfache Holzbänke, klare Grafiken über dem Altar, kein Christusbild. Die Kanzel stellt ein überdimensionaler „Notenständer“ dar, der Altar ist ein großer rustikaler Holztisch mit einem weißem Tuch behängt, darauf eine alte Bibel vor der eine kleine Kerze flackert. Das riesige Kreuz darüber besteht aus einem senkrechten Stahl-Doppel -T - Träger und einem horizontal darin eingelassenen U-Träger, alles blau gestrichen. Ein bescheidener Flügel und ein elektronisches Klavier ergänzen die Einrichtung. Dunkelgrüne dicke Gesangsbücher und Kopien mit der Liturgie liegen für alle aus. Im Hintergrund ließ die Pastorin ab und an geistliche Gesänge von der CD einspielen. Doch auch die Gemeinde sang viel – immer im Stehen, während im Sitzen gebetet wurde – auch das Vaterunser. Von der Predigt verstand ich leider mangels französischer Sprachkenntnisse nichts. Doch die Lieder erschlossen sich uns sofort, so auch : „Bewahre uns Gott, behüte uns Gott, sei mit uns auf unsern Wegen...“, welches wir in unserer Reisesituation gern singen. In fremden Sprachen mit zu singen fällt uns nach so viel Übung leicht, die Aussprache erschließt sich wie von selbst und im französischen Gesangsbuch gibt es sogar Noten.