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Schule
 

 

 

 

Wie Klaus Gärtner sich eine erfolgreiche Schule vorstellt


Inhalt:

1 Warum eine andere Schule?
2 Keine Fächer, sondern Lernbereiche
3 Lernfreundliche Organisation der Schule
4 Beurteilung und Zertifizierung der Leistungen
5 Qualitätssicherung
6 Lehrer
1) (und deren Ausbildung)
7 Kosten
8 vom Kindergarten zum Abitur
9 Ausblick

 

  1. Warum eine andere Schule?

    Wir stecken in einer bedrohlichen Bildungssituation. Einerseits werden Arbeitsplätze für gering ausgebildete Menschen immer seltener, weil solche Arbeiten von Maschinen oder im Ausland gemacht werden, und wir müssten daher das Bildungsniveau ständig anpassen, das heißt: erhöhen. Andererseits erzeugt unser Schulsystem immer mehr zu gering ausgebildete Jugendliche. Das gilt auch für die Gymnasien, denn z.B. in den Mathematik-Prüfungen in den ersten Semestern der unterschiedlichsten Fachbereiche fallen die Studenten scharenweise durch. Selbst Menschen mit Hochschulabschluss sind oft nicht mehr in der Lage, orthografisch und grammatikalisch einigermaßen einwandfrei zu schreiben. Dass Lehrlinge mit unteren Schulabschlüssen heute oft weder sinnerfassend lesen noch praktisch rechnen können, ist das Klagelied der Ausbilder. Dabei ist es müßig zu fragen, ob die früheren Kinder das besser konnten – heute ist auf jeden Fall eine solide Ausbildung unumgänglich. Eine Schule, die teuer ist und das trotzdem nicht leistet, gehört abgeschafft.

    Aber es ist nicht nur die Schule, die versagt. Die Kinder von heute sind einsam, einsam an Kontakten, einsam im Umgang mit Menschen. Nicht alle Eltern, aber die Mehrheit unter ihnen, so meine Erfahrung, kümmert sich nicht genügend um ihre Kinder. Viele Eltern scheuen die Mühe des direkten Umgangs mit ihren Kindern und vor allem der Auseinandersetzung mit ihnen. Die Kinder werden oft mit allen denkbaren materiellen Mitteln überschüttet, was ihnen überhaupt nicht gut tut, aber man beschäftigt sich nicht genug mit ihnen. Und wenn kein Geld da ist, werden die Kinder oft vor den Bildschirm gesetzt, damit sie ruhig sind und nicht stören. Wenn ein Kind unter diesen Umständen nicht verdummt, muss es schon ein ganz besonderes sein.

    Natürlich sind nicht alle Eltern so. Wer aktiv und mit viel Kontakten groß wird, wird dann auch erfolgreich, gerade weil die Konkurrenz der Leistungsfähigen immer kleiner wird. Aber wir können es uns nicht leisten, auf die vernachlässigten Kinder zu verzichten. Wir brauchen von den wenigen Kindern, die es gibt, alle! Deshalb muss die Schule sich nicht nur verbessern, weil ihr Kosten-Leistungs-Verhältnis nicht stimmt, sondern auch deshalb, weil sie zunehmend schwache Elternhäuser ausgleichen muss. Die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft hängt in erster Linie davon ab.

    Also brauchen wir eine andere Schule, eine, in der die Kinder LEBEN, und nicht nur aufbewahrt werden, in der die Kinder mit anderen zusammen lernen, in der sie nicht mehr Unmengen von Kulturwissen vorgesetzt bekommen, sondern wenig, aber das Wenige dann auch behalten. Wir brauchen eine Schule, die unterschiedlichste Kinder möglichst weitgehend fördert und jeden befähigt, in der modernen Welt zurecht zu kommen. Wir brauchen keine Art von Ideologie, sondern eine Schule, die ihre Qualität ständig unter Beweis stellen muss.

    Darüber möchte ich jetzt laut nachdenken.

  2. Keine Fächer, sondern Lernbereiche

    Ich habe es schon immer für völlig unangemessen gehalten, den Unterricht in der Schule nach den Fakultäten der Universität einzuteilen. Das hilft nur den Lehrern, die dann das, was sie studiert haben, in einem „Fach“ unterrichten können, nicht aber den Schulkindern, die ja zu allererst eine Allgemeinbildung erhalten sollen, die mit den Anforderungen in ihrem späteren Leben zu tun hat aber nicht mit Forschungseinrichtungen. In der Oberstufe und später in den ersten Studiensemestern ist Zeit genug für Spezialisierungen. Der Schulunterricht dagegen sollte eingeteilt werden in
    Lernbereiche, von denen es fünf geben müsste plus einem Zusatzbereich.

    1. Lernbereich Kulturtechnik

      Hier wären die sogenannten „Hauptfächer“ zu nennen wie Deutsch, Mathematik und Fremdsprache. Diese Fächer sollten als
      Hilfsmittel zur Aneignung anderer Lerninhalte unterrichtet werden und nicht als Selbstzweck. Im Fach Deutsch sollten die Kinder also sinnerfassendes Lesen und Verstehen, mündlichen und schriftlichen Ausdruck lernen, aber nicht die Interpretation von Gedichten oder ähnlichem. In Mathematik sollten sie das lernen, was „man braucht“, und in der Fremdsprache sollten sie mündlich und schriftlich kommunizieren lernen. Jedes dieser Fächer müsste nach wie vor als eigenes Fach unterrichtet werden, bildet aber zusammen einen Lernbereich.

    2. Lernbereich Natur

      Hier wären die Lerninhalte aus Physik, Chemie, Biologie, Astronomie, Geologie und Technik zusammengefasst, und zwar in einem einzigen Unterrichtsfach, das entsprechenden Raum einnehmen müsste. Es gäbe dazu auch einen einheitlichen Unterrichtsplan, in dem unterschiedliche Fächer nicht vorkommen.

    3. Lernbereich Gesellschaft

      Hier wären die Lerninhalte aus Wirtschaftskunde, Berufskunde, Erdkunde, Geschichte, Gemeinschaftskunde, Religion und Rechtskunde in einem einzigen Unterrichtsfach mit einheitlichem Unterrichtsplan zusammengefasst. Der Bereich müsste genau so viel Raum einnehmen wie der Lernbereich Natur. Die Wirtschaftskunde sollte einen wesentlichen Anteil haben, denn sie ist für unser Leben relevanter als z.B. alte Geschichte.

    4. Lernbereich Präsentieren

      Hier sollen die Kinder künstlerische Fähigkeiten erlernen und präsentieren. Letzteres ist das Hauptziel. Das könnte bei jüngeren Kindern noch in Pflichtfächern, später aber in Wahlpflichtfächern organisiert werden. Dabei sind durchaus jahrgangsübergreifende Kurse wünschenswert. Jedes Kind sollte in zwei Fächern präsentieren, etwa in Musik, Bildender Kunst, Mode-Design, Darstellendem Spiel, Literatur (Prosa und Lyrik), Akrobatik (einschließlich Jonglieren).

    5. Lernbereich Bewegung

      Hierzu gehören Handwerken und Sport. Beim Handwerken ist nur das Erlernen von Tätigkeiten gemeint, die nicht an einem Schreibtisch, sondern in körperlicher Bewegung ausgeführt werden. Der Lernbereich Bewegung enthält nur Pflichtfächer, die aber auch jahrgangsübergreifend organisiert werden können, wenn dies sinnvoll ist.

    6. Zusatzkurs

      Aus den Lernbereichen 2.1, 2.2, 2,3 und 2.5 dürfen die Schüler insgesamt einen Zusatzkurs („Enrichment-Kurs“) wählen, wenn sie wollen, um sich in einem Bereich, der ihnen Freude macht, zusätzlich im „tätigen Lernen“ zu qualifizieren. Für den Lernbereich 2.4 gilt das nicht, da er ohnehin hauptsächlich als Wahlpflichtbereich konzipiert ist. Die Zusatzkurse sind weitgehend jahrgangsübergreifend.


  3. Lernfreundliche Organisation der Schule

    Die Schule soll für die Kinder eine
    Heimat sein. Alle Kinder besuchen dieselbe Schule mindestens acht Jahre lang. Selbstverständlich ist sie eine Ganztagsschule mit Frühstück und Mittagessen. Die Klassen haben etwa zwanzig Schüler. Jede Klasse setzt eigene, individuelle Schwerpunkte. Die Lehrer wechseln nicht viel, sondern unterrichten viele Fächer. Die Klassenräume sind gemütlich und individuell gestaltet mit hohem Identifikationswert. Die Kinder haben eigene, verschließbare Schrankfächer. Das Schulgelände ist für die Pausen kleinteilig gestaltet.

    1. Tagesablauf

      Die Kinder kommen morgens ca. 8.30 Uhr in die Schule. Zuerst wird gefrühstückt, und zwar bringen alle Kinder Frühstück mit. Danach beginnt der Unterricht im Lernbereich 2.1. Dabei müssen sowohl Deutsch als auch Mathematik und Englisch jeden Tag unterrichtet werden, wenn auch nicht unbedingt täglich in derselben Zeitverteilung. Beim „offenen Unterricht“ sind die Übergänge ohnehin fließend.

      Es gibt eine einzige gemeinsame große Pause, und zwar von 11 bis 11.30 Uhr, weil die Kinder das Bedürfnis haben, die Kinder aus anderen Klassen gemeinsam auf dem Schulhof zu treffen. Kleinere Pausen werden von den Lehrer individuell geregelt.

      In der Zeit von 11.30 bis 13.30 Uhr werden in erster Linie die Lernbereiche 2.2 oder 2.3 unterrichtet, teilweise aber auch 2.4 oder 2.5, da Spezialräume für Musik oder Sport möglichst weit über den Tag genutzt werden müssen.

      Nach der Mittagspause geht der Unterricht ab 14.30 Uhr weiter mit den Lernbereichen 2.4 und 2.5, aber auch mit anderen, je nach Notwendigkeit. Die jahrgangsübergreifenden Kurse müssen jetzt stattfinden, damit die Kinder aus den unterschiedlichen Klassen auch zur Verfügung stehen.

      Um 16.30 Uhr ist die Schule zu Ende. Vorzeitiges Entlassen gibt es ebenso wenig wie Hausaufgaben.

    2. Jahresplan

      Sehr wichtig für die Entwicklung der Kinder ist die richtige Mischung aus Kontinuität und Besonderheit. Die meisten Wochen müssen
      regelmäßig ablaufen mit Tagen wie oben beschrieben. Unterbrechungen des Schulalltages sind weitgehend zu vermeiden. Um so mehr fallen dann die Besonderheiten ins Gewicht, wie z.B. zwei Feste im Jahr (Sommer und Fasching), Projekte und eine Reise im Jahr. Projekte lassen sich wegen der Klassenorganisation sehr leicht innerhalb der Klasse organisieren, ohne dass die restliche Schule davon beeinträchtigt werden muss. Man ist also zeitlich relativ frei.

      1. Klassenreisen

        Klassenreisen sind Unterricht. Sie sollten möglichst preiswert und ohne großen Aufwand organisiert werden. Die Klasse sollte auf jeder Reise weitgehend auf sich selbst gestellt und mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sein (selbst kochen und putzen, sich selbst unterhalten), damit die Kinder viel miteinander zu tun haben. Die Ziele sollten so organisiert sein, dass die Allgemeinbildung gefördert wird, also einmal an die See, in den Wald, ins Gebirge, in die Hauptstadt usw.
        Jede Reise, die auch nur ansatzweise eine Art Urlaubsreise ist, ist abzulehnen.

    3. Lerngruppe

      Die Klasse sollte aus 20 +/- 2 Kindern bestehen. Für zu große Klassen ist der Lehr- und Erziehungsauftrag schwer zu erfüllen. Aber auch zu kleine Klassen bringen Nachteile mit sich, weil die Individuen sich dann nicht so gut zu einer Gruppe fügen.

      Ob die Klasse aus gleichaltrigen Kindern oder jahrgangsübergreifend zusammengestellt wird, muss je nach Möglichkeiten entschieden werden. Beides bietet seine Vorzüge.

      1. Jede Klasse sollte einen Klassenschwerpunkt haben, der sie von anderen Klassen unterscheidet. Das kann ein fachbezogener Schwerpunkt sein (z.B. naturwissenschaftliche Klasse) oder bezogen auf eine Tätigkeit (z.B. „wir betreuen den Kindergarten xy“) Die Arbeit an dem Schwerpunkt muss wesentlich sein. Er hält die Klasse zusammen und ermöglicht den Kindern ein besonders erfolgreiches Lernen.

    4. Klassenlehrer

      Die Klassenlehrer
      1) müssen vollständig abgehen von dem Vertreten eines bestimmten Faches. Sie sollen sich orientieren an der Gesamtbildung jedes Kindes und in möglichst vielen Unterrichtsbereichen tätig sein. Da Lehrer aber nicht in allen Bereichen befähigt sein können, sollten die Kinder einer Klasse von insgesamt etwa drei verschiedenen Lehrkräften unterrichtet werden, aber nicht von mehr. Die Organisation des Lehrereinsatzes muss darauf abgestellt sein.

    5. Unterrichtsmethoden

      Unterricht findet generell stark individualisiert statt, entweder in der Art des „offenen Unterrichts“ mit Lernplänen für jedes Kind oder doch wenigstens hochdifferenziert. Das bedeutet nicht, dass nicht auch gemeinsame Aktionen möglich sind, aber grundsätzlich soll jedes Kind nach seinen Möglichkeiten voran kommen. Methoden sind in der Literatur beschrieben und müssen hier nicht wiederholt werden. Es soll auch sehr praxisnah, also anwendungsorientiert gearbeitet werden.

    6. Lernmittel

      Alle Lernmittel werden zentral von der Schule oder den Klassenlehrern (oder deren Hilfskräften) beschafft und an die Kinder ausgeteilt, so dass es nie einen Mangel daran geben kann, nur weil Eltern ihre Kinder nicht genügend ausstatten. Außerdem haben dann alle Kinder dasselbe, was eine in diesem Bereich unsinnige Konkurrenz vermeidet. Die Lehrer achten auf sparsamen Umgang mit dem Material.

    7. Unterrichtsräume

      Der Unterricht sollte im Wesentlichen im Klassenraum oder im Gelände stattfinden. Teure Fachräume sollten nur dann aufgesucht werden, wenn es unbedingt nötig ist, also nicht in jeder Stunde des zugehörigen Unterrichtsbereiches. Der Klassenraum soll klassenindividuell und wohnlich gestaltet werden, aber dennoch eindeutig ein Arbeitsraum sein. Die Ausstattung orientiert sich an den Bedürfnissen des „offenen Unterrichtes“.

      1. Was die Fachräume betrifft, ist sicher zu stellen, dass sie mit ihrer teuren Ausstattung nicht für Tätigkeiten der Kinder benutzt werden, die ihrer nicht bedarf. Also soll im Computer-Raum oder Physik-Raum nicht nur geschrieben oder gelesen werden.

    8. Schulgelände

      Das Pausengelände um die Schule soll nicht zu klein sein, aber kleinteilig gestaltet, damit sich die Kinder sowohl bewegen als auch abgeschirmt unterhalten können. Auch sehr kleine Fußballfelder werden angenommen. Als Spielgerät reichen oft eine etwas erhöhte Plattform, ein paar Balken, eine Sitzbank oder eine Treppe. Auch Hütten und niedrige Türme mit Räumen, in denen auch große Kinder Platz finden, werden gern angenommen. Aufwendige Ausstattung mit technischen Geräten ist nicht sinnvoll, mit Ausnahme vielleicht von einem Trampolin.

      Zudem soll das Schulgelände mit vielen Pflanzen und Hecken versehen sein, die die Kinder selbst angelegt haben und pflegen (siehe „Klassenschwerpunkt“).

    9. Schulkleidung

      Die Kinder tragen einheitliche Schulkleidung. Diese scheint zunehmend erforderlich, um dem unsinnigen Druck der Mode zu entgehen, der nicht nur dafür sorgt, dass die Kinder untereinander einem ruinösen Wettbewerb ausgesetzt sind, sondern auch die Gesundheit der Kinder beeinträchtig. Die „Schuluniform“ sollte sämtliche Oberbekleidung umfassen und für jeden tragbar sein. Schmuck wäre - wie in englischen Schulen auch - nicht erlaubt, andere statusträchtige Gegenstände ebenfalls nicht.

  4. Beurteilung und Zertifizierung der Leistungen

    In einer vernünftigen Schule gibt es keine Noten für einzelne Fächer. Eine dümmere Beurteilung von Fähigkeiten als die mit einer Nummer gibt es wohl kaum. Allerdings sind auch Lernberichte in der Regel als Zeugnisse ungeeignet, weil sie außerhalb der Schule nicht präzise genug verstanden werden. Daher müssen den Kindern bestimmte Kompetenzen, die sie erreicht haben, bescheinigt werden. Diese spiegeln einerseits Leistungsfähigkeit und Leistung wider, werden andererseits außerhalb der Schule verstanden. Das Zeugnis wird dadurch viel länger, aber auch viel klarer.

    1. Kompetenzbescheinigungen

      1. Für den Lernbereich 1 (Kulturtechniken) muss es standardisierte Kompetenzbeschreibung in mehreren, höchstens drei Stufen geben. Das kommt den Noten recht nahe, beschreibt aber jeweils nur einen Bereich. Z.B. kann es heißen „Die Fertigkeiten in der Bruchrechnung hast du in der Stufe 2 erreicht“. Es ist zunächst sehr aufwändig, alle Lerninhalte des Bereichs zu standardisieren, damit eindeutig klar ist, was „Bruchrechnen Stufe 2“ oder „sinnerfassendes Lesen Stufe 1“ bedeutet. Dann aber sagt ein solches Zeugnis weit mehr aus als ein heute übliches.

      2. Für alle anderen Lernbereiche gibt es die standardisierten Kompetenzen nur für gewisse Grundanforderungen. Im Übrigen werden dort die Projekte bescheinigt, an denen das Kind erfolgreich mitgewirkt hat.

    2. Verifizieren

      Standardisierte Kompetenzen müssen Jahr für Jahr verifiziert werden, um wieder im Zeugnis zu erscheinen. Das heißt, das Kind muss auch in den folgenden Jahren nachweisen, dass es „Bruchrechnen auf Stufe 2“ noch kann. Je älter das Kind wird, desto mehr ist es damit beschäftigt, seine Kompetenzen nachzuweisen. Da ja aber der Unterricht darauf abgestellt ist und Wiederholen Inhalt jeden guten Unterrichts ist, hört sich das auf den ersten Blick schlimmer an, als es in der Durchführung wird. Der „Unterrichtsstoff“ ist ja auch viel geringer (siehe oben) als heute üblich. Je älter die Kinder werden, desto mehr wird von ihnen verlangt, dass sie Leistung zeigen und Fähigkeiten nachweisen.

    3. Zeugnisse

      Die Zeugnisse bescheinigen den Schulbesuch und die nachgewiesenen Kompetenzen. Sie werden von Schuljahr zu Schuljahr länger.

    4. Prüfungen

      Prüfungen entfallen. Die erreichten Kompetenzen bilden die Schulabschlüsse.

    5. Versetzungen

      Versetzungen gibt es ebenso wenig wie „Sitzenbleiben“. Ein Kind, das weniger Kompetenzen erreicht hat als der Durchschnitt, kann diese ja später nachholen – oder erreicht eben einfach weniger. (Die Idee, dass Kinder einen „Stoff“ stringent hintereinanderweg lernen, ist ohnehin unhaltbar.)

  5. Qualitätssicherung

    Wie die vergangenen Jahrzehnte zeigen, hat es keinen Sinn, Kinder zu unterrichten, wenn die Lehrverfahren nicht regelmäßig kritisch kontrolliert und das Erlernte nicht gesichert wird. Dem herkömmlichen Schulsystem mangelt es in erster Linie an Qualitätssicherung, denn jeder Lehrer
    1) - und zunehmend auch die Kinder - macht, was er will. Wenn das auch außerhalb der Schule auch so wäre, würde unser ganzes Wirtschafts- und Sozialsystem zusammenbrechen.

    1. Schulleitung

      Bei der Ernennung eines Lehrers zum Schulleiter
      1) gibt es ein grundsätzliches Dilemma. Der Beruf des Schulleiters ist ein Verwaltungsberuf und daher erheblich unterschieden von dem eines Lehrers. Menschen, die gern Lehrer sind, möchten meistens nicht gern Schulleiter sein. Aber Menschen, die nicht gern Lehrer sind, flüchten sich gern in den Aufstieg, um nicht mehr so viel unterrichten zu müssen. So bekommt man einfach nicht die geeigneten Schulleiter.

      Daher sollte die Schulleitung grundsätzlich aus drei Personen bestehen, die gemeinsam die Schule leiten (je nach Schulgröße können die Aufgaben auch auf noch mehr Personen gelegt werden. Es geht hier nur um die Trennung der Zuständigkeiten):

      1. Der Schulleiter1) repräsentiert die Schule nach innen und außen. Er ist zuständig für sämtliche Außenkontakte, für die Aufsicht über sämtliches Personal, für Beschwerden, für Disziplinar- und Personalfragen, sollte nebenbei kaum Unterricht leisten, damit seine Autorität sichergestellt ist. Schulleiter einer großen Schule kann nur werden, wer ein dafür qualifizierendes Zusatzstudium (Betriebswirtschaft, Menschenführung) nachweisen kann.

      2. Der Verwaltungsleiter1) ist zuständig für den Lehrereinsatz, den Stundenplan, den Vertretungsplan, den Haushalt, die sparsamen Einkäufe in sämtlichen Bereichen der Schule, die Verwaltung des Inventars usw. Er muss kein Lehrer sein.

      3. Der Pädagogische Leiter1) ist zuständig für das Wohl der Kinder und deren Vorankommen in der Schule. Er muss gut ausgebildeter Pädagoge sein und einen erheblichen Teil seiner Arbeitszeit auch unterrichten, um die Schulprobleme gut zu kennen.
        Innere Entscheidungen in der Schule sind ohne seine Zustimmung nicht möglich. Der pädagogische Leiter besucht den Unterricht seiner Kollegen
        1) regelmäßig.

    2. Didaktische Leiter

      Für jeden Lernbereich - im Lernbereich 1 für jedes Fach - gibt es einen didaktischen Leiter
      1). Er konzipiert die Unterrichtspläne und die Lernerfolgskontrollen. Er bewertet letztere auch. Dadurch wird sichergestellt, dass sowohl der Unterricht als auch die Leistungen der Schüler nach gleichem Standard bewertet werden. Das ist die Abkehr von einem System, in dem der unterrichtende Lehrer alles in seiner eigenen Hand hat. Ein guter didaktischer Leiter wird selbstverständlich im Team mit den unterrichtenden Kollegen1) arbeiten. Der didaktische Leiter besucht den Unterricht seiner Kollegen regelmäßig.

    3. Schulbeirat

      Um die Schule in der sie umgebenden Gesellschaft einzubinden und damit die in einer Schule arbeitenden Menschen nicht den Kontakt zur „Realität“ verlieren, gibt es einen Schulbeirat. Er besteht aus Eltern, aus Aktiven der Stadtteil-Jugendarbeit und aus Vertretern der kleinen und mittleren Wirtschaft. Die Anzahl der jeweiligen Mitglieder muss festgelegt werden. Die Mitglieder werden von den Elternvertretern gewählt. Die Mitglieder erhalten für ihre Sitzungen eine Aufwandsentschädigung.

    4. Elternrat

      Der Elternrat besteht aus zwei gewählten Eltern jeder Klasse. Er hat keine andere Funktion als den Schulbeirat zu wählen. Da die Kinder die meiste Zeit ihres Lebens im Elternhaus verbringen, haben Eltern dort genügend Zeit und Gelegenheit, ihre Kinder nach ihren Wünschen optimal zu erziehen. Für die Arbeit der Schule bekommen sie kein Mitspracherecht. Bei allem, was der Elternrat allerdings mit Zustimmung der Schule selbst in die Hand nimmt, behält er natürlich auch das letzte Wort.

    5. Schulkonferenz

      Die Schulkonferenz besteht aus dem Schulbeirat, den Mitgliedern der Schulleitung und den didaktischen Leitern. Sie beschließt alles, was für die Arbeit der Schule wichtig ist. Sie wählt die Mitglieder der Schulleitung aus. Wenn ein Lehrer
      1) oder ein Schulleitungsmitglied entlassen werden soll, muss die Schulkonferenz zustimmen.

    6. Lehrerkonferenz

      Lehrer- und Klassenkonferenzen entfallen - abgesehen von solchen, die der Unterrichts-Koordination dienen. Es gibt keine Beschlüsse, die vernünftigerweise auf Lehrerkonferenzen gefasst werden müssten.

    7. Schülerrat

      Der Schülerrat besteht aus einer begrenzten Zahl von Mitgliedern (etwa eines je 80 Schulkindern), die von allen Kindern der Schule gewählt werden. Die Mitglieder des Schülerrates bekommen einige Sonderrechte, z.B. Auskunftsrechte und Anhörungsrechte. Sie sind bei allen Veränderungen, die die Schule betrifft, anzuhören. Sie bekommen einen Finanzetat, den sie selbst verwalten.

    8. Personalrat

      Die Aufgaben des Personalrates sind allgemein und gesetzlich bestimmt, also nicht Gegenstand der vorliegenden Überlegungen.

  6. Lehrer (ausbildung)

    Ein Lehrer
    1) ist nicht für eine Wissenschaft, für ein Fach oder eine Kunst da, sondern für Kinder. Ein Lehrer muss Kinder lieben, auch wenn es nicht seine eigenen sind. Das ist die erste und wichtigste Voraussetzung für diesen Beruf.

    1. Der Lehrer als Erzieher1) darf auf keinen Fall eine distanzierte Person sein, sondern muss mit den Kindern leben. Er sorgt dafür, dass Regeln eingehalten werden, niemand bevorzugt oder benachteiligt wird, eine angenehme Lernatmosphäre herrscht. Er lobt und tadelt, schimpft und tröstet. Dazu braucht er eine solide pädagogische Ausbildung und keine Scheu vor Nähe zu Kindern.

    2. Der Lehrer als Lehrender1) muss sich in der Didaktik etlicher Lernbereiche auskennen. Er muss in der Lage sein, binnendifferenziert zu unterrichten und dem Lernfortschritt unterschiedlichster Kinder gerecht zu werden. Welche in der Literatur vorliegenden Methodik-Bausteine man verwendet, ist insoweit gleich, als die Ziele erreicht werden.

    3. Die Lehrerausbildung sollte umgestellt werden, damit ein Student nicht erst nach dem Studium erkennt, ob er als Lehrer geeignet ist. Die Ausbildung sollte während des Studiums viele Praktika enthalten, zusammengenommen etwa drei Monate in jedem Studienjahr. Dabei soll der Student nicht nur zusehen, sondern sich tatsächlich als Erzieher und Lehrer versuchen. Ein Referendiat hinterher entfällt dann.

    4. Lehrer1) sollten selbstverständlich leistungsbezahlt werden. Jeder Lehrer kennt doch in seinem Kollegium die Leistungsträger1) der Schule, die Kinder voranbringen, ebenso wie diejenigen, die sich mit möglichst wenig Engagement durchmogeln oder noch nicht einmal in der Lage sind, in einer Klasse Arbeitsruhe herzustellen. Also muss es auch Kriterien geben, das zu beurteilen, die man entwickeln kann. Jedenfalls ist es ein Unding, alle Arbeitnehmer1) nur nach ihrer Ausbildung und unabhängig von ihrer Leistung gleich zu bezahlen. Wer viele Fächer erfolgreich unterrichten kann (also flexibel einsetzbar ist), sinnvolle Fortbildungen nachweisen kann, allein eine Klasse führt, seine Schüler nachweislich voranbringt, viele Klassenreisen und Unternehmungen organisiert usw, muss auch besser bezahlt werden. Heute ist es ohne weiteres denkbar, dass eine Sozialpädagogin eindeutig leistungsfähiger ist als ihr Schulleiter, trotzdem aber fünf Gehaltsstufen unter ihm liegt. Mit solch einem System kann kein Betrieb erfolgreich sein.

    5. Außer Lehrern1) sollte es in Schulen weiteres Personal geben, und zwar nicht nur Sekretär1) und Hausmeister1). Den Einkauf von Schulmaterial kann eine Fachkraft garantiert effektiver und preisgünstiger leisten als die Lehrer. Teure Lehrer sollten auch nicht zum Kopieren, Listen Führen, Elternpost Austeilen und Einsammeln usw. verwendet werden. Eine Schule sollte auch Reinigungskräfte haben, die zur Schule gehören, damit sie den Kindern und Lehrern bekannt sind.

    6. Im übergeordneten Schulamt sollten nur Menschen einen Arbeitsplatz haben, die Lehrern helfen, besseren Unterricht zu machen. Neue Ideen sollten dort ausgegoren, getestet und erst dann an die Schulen weitergegeben werden. Sinnvoll wäre es sicherlich, wenn die Angestellten im Schulamt das nicht zeitlebens sind, sondern Lehrer1) für eine gewisse Zeit dorthin abgeordnet würden.

  7. Kosten

    Wenn eine Schule eine Privatschule sein muss, kann es nicht ausbleiben, dass die Eltern etliche Zahlungen leisten. Sinnvoll ist eine wie oben beschriebene Schule aber dann, wenn sie eine allgemeine Schule ist, weil dann die Bildungsressourcen über hohe Chancengleichheit am besten genutzt werden. In einer solchen Schule ist es sinnvoll, den Eltern überhaupt keine Kosten aufzulasten. Also sollte nicht nur Unterrichtsmaterial, sondern auch das Schulessen, die Schulkleidung, der Ausflug, die Klassenreise usw. kostenlos sein. Finanzpolitisch könnte man sich dieses Geld je nach ordnungspolitischen Vorstellungen entweder durch Senkung des Kindergeldes (Eltern werden ja weitgehend entlastet) oder durch allgemeine Steuern (Erziehung ist nicht Privatsache, sondern gesellschaftliche Aufgabe) wieder hereinholen. Wenn alles, was mit der Schule zusammenhängt, die Eltern nichts kostet, ist die Chancengleichheit bei den Kindern am größten, weil dann alle Kinder wenigstens in der Schule alles haben, was sie brauchen. Sowohl Kinder, die von zu Hause überausgestattet werden, als auch solche, deren Eltern ihr Geld zuletzt für Bildung ausgeben, werden sehr entlastet. Nur Bücher, die im Ausnahmefall nach Hause mitgenommen werden, sollten immer voll bezahlt werden, wobei die Kinder auch den vollen Preis erstattet bekommen, wenn das Buch in einem benutzbaren Zustand zurück gegeben wird.


  8. Vom Kindergarten zum Abitur

    Außer dem ausführlich dargestellten Kernbereich der Schule sind andere Bereiche der allgemeinbildenden Schule genau so wichtig, wenn sie auch hier nicht dargestellt wurden.

    Dazu gehört zum einen der verpflichtende und kostenlose Kindergarten ab dem 3. Lebensjahr. Sowohl staatliche als auch private Kindergärten könnten gewählt werden. Ob es sich um einen Ganztags- oder Halbtagskindergarten handelt, müsste nicht nur davon abhängig gemacht werden, ob die Eltern tagsüber arbeiten, sondern vor allem davon, ob die Kinder fließend deutsch sprechen können. Für Kinder, die dies nicht können, muss der Kindergarten so eingerichtet sein, dass sie es auf alle Fälle lernen, bevor sie in die Schule kommen.

    Dazu gehört zum anderen eine Oberstufe, die zum Abitur führt, an jeder Schule. Auch wenn nicht alle Kinder die Oberstufe besuchen, sollen sie diese jedoch stets vor Augen haben, deren Arbeit, Ausstellungen und Aufführungen miterleben und eventuell in deren Kursen mitarbeiten (z.B. Orchester oder Theater), auch wenn sie keine Oberstufenschüler sind. Inhalt und Aufbau einer Oberstufe sollen hier allerdings nicht weiter erwähnt werden.

  9. Ausblick

    Das Vorliegende hat keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern ist einfach nur ein Vorschlag von jemandem, der mehr als dreißig Jahre Schule gemacht und alleinerziehend drei Kinder großgezogen hat. Jede Einzelheit kann man gewiss noch optimieren. Aber so oder so ähnlich muss eine wirklich erfolgreiche Schule schon sein. Und sie muss noch nicht einmal mehr kosten als die heutige, wenn endlich kaufmännische Gesichtspunkte von Kosten-Nutzen-Relationen auch in Behörden berücksichtigt werden. Aber sie wird auch nicht billig, denn gute Arbeit verlangt gute Bezahlung. Nichts wird uns so teuer werden, wie das heutige Versagen von Erziehung und Bildung. Deshalb gibt es überhaupt keinen vernünftigen Grund, jetzt nicht umzusteuern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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1) natürlich beide Geschlechter gemeint