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Bibel und Glaube
 

(Um Doppelungen zu vermeiden, werde ich im Folgenden auf Texte verweisen, die ich für den Religionsunterricht geschrieben oder zusammengestellt habe. Wenn also ein Verweis kommt wie z.B. [Schule: Paulus] kann man auf dieser Internetseite unter Schule/Religion, in diesem Fall bei „Paulus“, nachschlagen.)



Inhaltsverzeichnis dieser Seite:

Gott und die Welt -- Glaubensbekenntnisse eines Laien

Vorbemerkung zur Bibel

Die Schöpfungsgeschichten in der Bibel

Gottes Wort und Gottes Werk - Die Geschichte von den sieben Tagen

Der dualistische Mensch - Die Geschichte vom Paradies



 

Gott und die Welt

 

Glaubensbekenntnisse eines Laien

Klaus Gärtner, März 2015


Die Welt ist wunderbar, und es vergeht eigentlich kein Tag, an dem ich nicht dazu komme, sie zu bewundern. Aber alles das, was unsere Sinne und Gedanken zum Träumen anregt, ist genau betrachtet der Ablauf eines großartigen, aber völlig erbarmungslosen Systems von Naturgesetzen. Der strahlende Sonnenschein oder das Leuchten der Sterne ist nicht anderes als die atomare Hölle einer gigantischen Wasserstoffbombe. Die bunten Blumen verfolgen mit ihren Farben nur egoistische Ziele, das Singen der Vögel ist nichts anderes als ein Kampfgeschrei zur Platzbehauptung, das Lächeln nichts anderes als eine Drohgebärde. Alles Leben auf der Welt erweist seine Erbarmungslosigkeit gerade dadurch, dass es noch existiert. Die Welt ist wunderschön, aber völlig gnadenlos.

Aber ich selbst bin nicht gnadenlos, jedenfalls nicht völlig. Deshalb weiß ich, dass ich auch nicht völlig in diese Welt gehöre. Auch wenn wir heute keine Götter und Geister mehr brauchen, die wir für unerklärliche Zusammenhänge verantwortlich machen können, gibt es nach wie vor – auch und gerade unter Naturwissenschaftern – Menschen, die gläubig sind, an Gott glauben, der zwar unerklärlich, aber eben nicht gnadenlos ist. Ich gehöre dazu.

Die Bibel habe ich seit meiner Jugend oft und immer wieder gelesen. Theologe bin ich aber nicht geworden. Das heißt, ich kenne keine ernst zu nehmende Sekundärliteratur über die Bibel, keine theologischen Deutungen und die Dispute zwischen den unterschiedlichen Richtungen der Theologen. Ich kenne eben nur die Bibel, meine Allgemeinbildung und meine Lebenserfahrung. Theologisch bin ich ein Laie. Ganz ehrlich: Ich sehe in der Theologie noch nicht einmal eine Wissenschaft.

Ein gläubiger Mensch war ich schon immer, so lange ich denken kann. Aber auf meine alten Tage kann ich umfassender denken. Deshalb habe ich versucht aufzuschreiben, was bei dem Denken heraus gekommen ist, in der Hoffnung, dass meine Nachkommen und andere Laien damit etwas anfangen können.

 

 

Inhalt der einzelnen, unabhängigen Artikel:

  • Die Bibel

  • Gott

  • Gottes Wille

  • Der Heilige Geist

  • Jesus Christus

  • Dreieinigkeit

  • Die Schöpfung

  • Menschen ohne Paradies

  • Gebet und Gottesdienst

  • Das Heilige Abendmahl

  • Sünde und Erbsünde

  • Das Jüngste Gericht

  • Engel

  • Teufel

  • Unsichtbare Welt

  • Heilige

  • Wunder



Die Bibel

 

Die Bibel ist in ihrer Gesamtheit von Menschen geschrieben. Nur wenige Schriften (z.B. Apostelbriefe) sind heute noch nahe an ihrem ursprünglichen Text. Menschen haben ihre Erfahrungen mit Gott erzählt, andere haben sie weiter erzählt, andere haben sie redigiert, verändert und aufgeschrieben, andere haben weitere redaktionelle Arbeit geleistet, Texte zusammengefasst, Texte verworfen, Texte immer wieder übersetzt, bis endlich die Bibel so war, wie sie heute ist. Man kann es sogar als Laie den Texten anmerken, dass ihre Autoren auch ihre eigenen Ansichten transportieren wollten. Auf keinen Fall ist die Bibel „Gottes Wort“. Sie ist noch nicht einmal in allen Teilen „von Gott inspiriert“.

 

Dessen ungeachtet ist die Bibel ein geniales Werk, das in der Welt ihresgleichen nicht findet. Sie ist eine über ca. zwei Jahrtausende entstandene Sammlung von Märchen, die erzählend eine bestimmte Wahrheit transportieren sollen, von Sagen, denen gewiss tatsächliche Begebenheiten zugrunde liegen, von Gesetzen, die das Volk Israel zusammen hielt und von anderen Völkern unterschied, von historischen Berichten, die auch einen hohen historischen Wert haben, von Lehren, Predigten und Zukunftsvoraussagen, deren Verfasser gewiss auch oft vom Heiligen Geist inspiriert waren, und von Lyrik über Gott, die heute noch als schön empfunden wird. Wer aus diesem Konglomerat von Aussagen eine einzige wörtlich herauspickt, um sie besserwisserisch als ewige Wahrheit anzupreisen, liegt nicht nur meistens völlig falsch, sondern versucht, Gott ganz klein zu machen.

 

Die Bibel darf man nicht wörtlich buchstabieren, sondern muss sie mit Gefühl lesen. Man muss sich selbst in die Geschichten einfühlen, wie es schon zu allen Zeiten Menschen getan haben, und spürt dann in all den Bruchstücken unterschiedlicher Autoren, Zeiten und Intentionen und trotz all der Widersprüche dazwischen die zentralen Aussagen über Gott und den Menschen, die in der Tat in der ganzen Bibel gleich sind. Das ist das Heilige an der Bibel. Und insofern war der Heilige Geist an ihrer Entstehung alles andere als unbeteiligt.

 



Gott

Gott ist der, der die Welt gemacht hat. Sie ist nicht von selbst entstanden, sondern durch einen Willen, und den nennen wir Gott. Mehr wissen wir nicht über das Wesen Gottes. Es wäre auch vermessen, Gott kennen und genau einschätzen zu wollen. Wir müssen uns mit Bruchstücken begnügen, die aus Gottesoffenbarungen uns überliefert wurden. Wir wissen, dass Gott an den Menschen ein besonderes Interesse hat, ja, dass er die ganze Schöpfung so gemacht hat, dass sie vom Menschen nutzbar, verstehbar und veränderbar ist. Wer aber glaubt, dass auch Gott verstehbar oder gar nutzbar wäre, ist ganz sicher im Unrecht. Wir spüren den Heiligen Geist und wir haben Jesus Christus mit seinen Zeugnissen von Gott. Mehr können wir nicht haben. Wenn Gott von uns Menschen beweisbar wäre, wäre er ja doch nur ein sehr kleiner Gott, einer, der sich unserer Kunst unterwerfen müsste. Das ist ein absurder Gedanke.

Gott ist nun nicht nur derjenige, der das Universum geschaffen und seinen Lauf angestoßen hat, sondern ist nach wie vor in seiner Schöpfung präsent. Wenn das nicht so wäre, wäre es für uns Menschen völlig gleichbedeutend, ob Gott die Welt gemacht hat oder nicht. Wir erkennen keinen vernünftigen Grund, warum ein Wille, der das ganze Universum geschaffen hat, sich im einzelnen mit uns beschäftigen sollte, aber es ist offensichtlich so. Die Grenzen unserer Vernunft sind für Gott auch sicherlich ganz unerheblich. Jesus sagt, Gott „liebe“ seine Menschen. Auch das ist wohl nur eine Metapher, denn was Liebe unter Menschen ist, können wir uns vorstellen, göttliche Liebe nicht, aber dieses Gleichnis zeigt uns die Richtung. Gott hat aber nicht nur Interesse an der Menschheit allgemein, sondern seine Forderungen und Verheißungen gelten jedem einzelnen Menschen.

Es gibt immer wieder Menschen, die versuchen, Gott ganz klein zu machen, so, dass er in ihre Vorstellungen passt und auch in gewisser Weise verfügbar ist. Die sagen dir genau: du musst dies tun und das lassen, dann wird Gott . . . Dadurch wird Gott zu einer Regelmaschine, die berechenbar und somit uns Menschen verfügbar ist, so als müsste Gott etwas Bestimmtes tun, wenn wir nur den entsprechenden Anlass dafür gäben. Dieser Gedanke ist nicht nur völlig lächerlich, sondern Jesus widerspricht ihr auch in allen seinen überlieferten Reden. Man denke nur an das Kamel im Nadelöhr.

Jesus sagt uns, wir sollen uns Gott nicht weiter vorstellen, vor allem sollen wir ihn nicht als Bedrohung wahrnehmen, sondern wir sollen ihn als unseren Vater ansehen wie er uns als seine Kinder betrachtet. Gott weiß, dass wir nicht perfekt sind und auch nicht sein können. Wir als die einzigen Geschöpfe, die „nach seinem Bilde“ gemacht sind, dass sie ihn überhaupt wahrnehmen können und die wissen, was gut und was böse ist, sollen unserem Leben immer wieder eine Wendung zum Guten geben und darauf vertrauen, dass Gott uns schon nicht im Stich lässt. Wer das kindliche Vertrauen darauf nicht aufbringt, sondern sich Gott erarbeiten will, kann nur scheitern.

 

Gottes Wille

Gott betrachtet nach allem, was die Bibel uns lehrt, die Menschen offenbar als seine besonderen „Kinder“ unter allen Geschöpfen, tatsächlich als ein gewisses Gegenüber. Warum das so ist, bleibt unklar, denn die Beweggründe Gottes zu erforschen können Menschen nicht in der Lage sein. Auf jeden Fall ist es Gott nicht gleichgültig, was seine Menschen von ihm, also von Gott, denken. Dieser Kern zieht sich durch die ganze Bibel hin.

Gott will, dass wir ihn nicht verleugnen. Gott will vor allem, dass wir ihn als den einzigen Gott anerkennen, der die Welt gemacht hat und erhält. Jede andere Art höherer Mächte darf es für ein Gotteskind nicht geben. Jede Art von Göttern, Zauberei und Aberglauben sind Gott zuwider. In unserer Zivilisation stellt man sich zwar keine Götzenbilder mehr hin, aber der Glaube an geheimnisvolle übernatürliche Kräfte ist ungebrochen. Mit dem, was landläufig alles „Unglück bringt“, könnte man ein ganzes Buch füllen. Aufgeklärte Menschen von heute kaufen Glücksbringer, geben Schornsteinfegern die Hand, gehen schwarzen Katzen aus dem Weg, klopfen auf Holz usw. Viele glauben an Astrologie. Das alles ist Gott zuwider. Die Sterne sind nichts anderes als Himmelslichter und haben keinen übernatürlichen Einfluss, so steht es in der Schöpfungsgeschichte. Es gibt nur einen Gott und ansonsten keine göttlichen Fügungen, woher auch immer. Dies anzuerkennen und danach zu leben, ist zentral.

Gott will auch, dass Menschen sich nicht nur auf sich und die Kunst der Menschen verlassen, sondern Vertrauen zu ihm haben. Auch das zieht sich durch alle Teile der Bibel. Jesus lehrt uns, dass wir Gott sogar als „Vater“ ansehen sollen, als jemanden, der an unserem Wohl interessiert ist und an den wir uns wenden können.

Gott will, dass wir uns bemühen, von unserem animalischen Wesen weg und hin zu unserem göttlichen Wesen tendieren, dass wir also nicht emsig Reichtum und Ehre anhäufen, sondern uns an der Welt und an Gott, der sie gemacht hat, erfreuen. Gott will, dass wir ihn loben und mit ihm im Einklang leben, so weit uns das möglich ist.

Gott will, dass wir nicht so sehr an uns selbst, sondern an andere Menschen denken. Wir sollen sie „lieben wie uns selbst“. Wir sollen dem beistehen, der uns hilfesuchend begegnet, dem Fremden, dem Gefangenen, dem Hungernden, dem Kranken, dem Leidenden, dem Unglücklichen, dem Schwachen.

Wie Jesus uns lehrt, will Gott nicht, dass wir ganz bestimmte, festgelegte Regeln mechanisch einhalten, um Gott zu gefallen, sondern dass wir das Wehen des Heiligen Geistes wahrnehmen, der uns sagt, was gut ist. Und das in jedem Moment unseres Lebens.



Der Heilige Geist

 

Es ist wirklich sehr schwer, den Heiligen Geist zu beschreiben, denn er ist nicht wie Gott in einer „Person“ zu zentrieren, sondern er ist das göttliche Walten, das die ganze Schöpfung neben ihrer materiellen Existenz durchzieht, also die Spur Gottes in der Schöpfung. Er durchwebt die ganze Welt, konzentriert sich aber dichter bei den Menschen, denn er macht unter anderem den Unterschied zwischen Gut und Böse, den ja nur Menschen nachvollziehen können. Der Heilige Geist bewirkt das Gute, das der Schöpfung ansonsten unbekannt ist. Der Heilige Geist kann für die Menschen eine Verbindung zwischen Schöpfung und Schöpfer sein. Bildlich gesagt: Seine Schwingungen erzeugen Resonanz in Menschen mit passender Eigenfrequenz. Im Extremfall werden Propheten inspiriert. Der Heilige Geist ist nicht in den Naturgesetzen verhaftet und deshalb Ursache für Wunder, also Ereignisse, die sich auf Wunsch von Menschen gegen die Naturgesetze vollziehen. Die „Sünde gegen den Heiligen Geist“, die Jesus unverzeihlich genannt hat, ist, so wie ich glaube, das Verleugnen des Göttlichen in der Schöpfung, und nichts anderes.



Jesus Christus

Ob Jesus, den wir Christus nennen, wirklich in Bethlehem geboren wurde, ob seine Mutter wirklich eine Jungfrau war und ihr zuvor ein Engel erschien – ich würde das nie abstreiten, aber auch nie behaupten. Die Evangelisten haben ihre Texte weit nach Jesu Tod verfasst, sie waren auch selbst an dem Pfingstwunder nicht beteiligt, und sie haben sicherlich so exakt wie möglich über Wirken, Tod und Auferstehung von Jesus berichtet, aber was vorher war, hätten sie erforschen müssen, denn das hatte bislang niemanden interessiert. Besonders Passagen, aus denen „bewiesen“ werden sollte, dass Jesus der Messias ist, sehe ich mit großer Skepsis. Für den Stern von Bethlehem gibt es heute eine moderne astronomische Erklärung, doch niemand kann beweisen, dass diese Konjunktion es wirklich gewesen sein müsse. Es ist auch völlig gleichgültig, ob die Angaben zu Jesu Geburt so stimmen wie berichtet, denn eines ist für mich auf jeden Fall ganz sicher: Jesus ist der von Gott Gesandte, gesandt in unsere Zeit aus der Zeitlosigkeit. Jesu Wirken selbst ist der Beweis dafür, und nichts anderes.

Dabei war Jesus sicherlich ein Mensch. Er wurde als Mensch geboren und hat sich auch wie ein Mensch verhalten. Er war völlig ungöttlich hungrig oder müde. Über Lazarus hat er geweint. Er konnte wütend werden und ausrasten wie bei der Reinigung des Tempels. Sogar seine überlieferten Wundertaten hatten manchmal, wenn auch selten, unverständlich menschliche Züge. So hat er eine nur getan, um seiner Mutter einen Gefallen zu tun, eine andere, weil er an einem Baum zur falschen Jahreszeit erwartungsgemäß keine Früchte fand. Andererseits wurde Jesus niemals als Mensch von Gott berufen, sondern ist in die Zeit gekommen, aber selbst zeitlos, wie er von sich sagt, dass er schon da gewesen sei, bevor die Welt gemacht wurde. Gottes Wort und Willen verdichteten sich in jemandem, der als Mensch mit Menschen lebte, um damit eine Verbindung zwischen Gott und Menschen zu schaffen. Dieser göttliche Heilsplan ist mit menschlicher Vernunft tatsächlich nicht zu begreifen.

Die Predigten, Taten und Erklärungen von Jesus sind von einer erleuchtenden Klarheit und Geschlossenheit, und sie sind heute genau so modern wie damals. Sie sind ebenfalls zeitlos. Dass dieser Mensch, der niemandem etwas Böses getan hatte, von Eiferern und Eifersüchtigen, die sich auch noch im Recht fühlten, hingerichtet wurde, ist leider auch zeitlos, zumindest in unserer Zeit. Wir wissen: Menschen sind so, sie können noch viel schlimmer sein. Warum Jesus diese völlig ungerechte Behandlung ertragen musste, ist mir jetzt noch nicht ersichtlich. Jesus sagte, es müsse so sein, damit die Menschen von ihrer Schuld erlöst werden, und das nehme ich als Erklärung hin.

Jeder Mensch kann sich in jeder seiner Taten seinem animalischen Wesen oder seinem göttlichen Wesen zuwenden. Jesus entschied sich generell zu letzterem. Er befriedigte wohl seine körperlichen Bedürfnisse, aber ließ Gedanken wie Stolz, Habsucht, Ehre usw. auch im Geringsten nicht zu. Nun könnte man denken, jeder Mensch kann sich ja schließlich immer nur für das Gute entscheiden und ist dann wie Jesus. Aber genau das kann ein Mensch normalerweise nicht tun. Niemandem ist es möglich, ganz ohne Sünde zu leben, also ganz ohne ein gewisses Abweichen von Gott. Jesus kann das, weil er das göttliche Prinzip verkörpert. Er ist mit dem Heiligen Geist verbunden, er kennt Gott. Er ist als wirklicher Mensch in die Welt gekommen, um uns zu lehren und zu erlösen von der Gottferne. Und er wurde als wirklicher Mensch ermordet. Er ist von den Toten auferstanden schon in der Zeit, nicht erst nach deren Ende, und seinen Freunden erschienen, wenn auch in stets veränderter Gestalt. Seine Himmelfahrt hat er wohl deshalb durchgeführt, damit seine Kirche weiß, dass sie von jetzt an ohne seine körperliche Anwesenheit auskommen soll. Seine geistliche Anwesenheit hat Jesus uns dagegen für alle Zeiten versprochen.

Jesus lehrt, dass wir Gott und seinen Heiligen Geist in allem anerkennen sollen. Wir sollen unser göttliches Wesen darin zeigen, dass wir anderen Menschen, die unserer bedürfen, uneigennützig helfen. Wir sollen uns nicht auf Regeln berufen, sondern bei allem die Stimme von Gut und Böse hören. Dabei sollen wir uns niemals über andere erheben. Da wir uns vor Gott nicht selbst rechtfertigen können, sollen wir uns auf Jesus berufen. Wer an Jesus Christus glaubt und ihm nachfolgt, indem er Hilfsbedürftigen eine Hilfe ist, ist vor Gott gerechtfertigt.



Die Dreieinigkeit

Es gibt keine drei Götter, Gott Vater, seinen Sohn Jesus Christus und den Heiligen Geist, die zusammen sitzen und beraten könnten. Es gibt nur einen Gott, der seinen eigenen Geist mit in die Schöpfung verwoben hat. Gott hat die Menschen von Anfang an in seinem besonderen Blick gehabt. In der Bibel heißt es oft, er liebe seine Geschöpfe, aber Gottesliebe ist sicherlich etwas anderes als menschliche Liebe. Gott hat es gefallen, sein eigenes, das göttliche Prinzip, in einem Menschen zu uns zu senden. Das soll es uns leichter machen, ihn zu verstehen. Zwischen dem Wirken des Heiligen Geistes, den Lehren von Jesus und Gottes Wollen gibt es keine Differenz. Alles ist Gott, der sich uns in unterschiedlicher Weise nähert.

Warum Gott das so tut, warum er nicht einfach kommt und uns sagt, wo es lang geht, müssen wir Gott schon überlassen. Mit Gott direkt Kontakt aufzunehmen, ist Menschen außerhalb des Paradieses offenbar nicht ohne Schaden möglich, wie wir schon im Alten Testament lesen. Außerdem ist es müßig, zu fragen, warum Gott dieses oder jenes tut, wenn Gott wirklich das ganze Universum durch seinen Willen geschaffen hat.



Die Schöpfung

 

Die Welt ist nicht von selbst erstanden, sondern Gott hat sie gemacht. Das ist ein zentraler Glaubenspunkt bei Juden, Christen und Muslimen. Wer allerdings darauf besteht, dass die gesamte Schöpfung in sechs mal 12 Stunden gemacht wurde, weil das in der Bibel so steht, ist nicht ernst zu nehmen. Erstens muss er, wenn er den Anfang der Bibel so wörtlich nimmt, absurde Widersprüche erklären, wie nämlich am ersten Tag das Licht mit Abend und Morgen, aber erst am vierten Tag, nach den Pflanzen sogar, die Sonne gemacht wurde, oder wie es sein kann, dass einmal der Mensch als allerletztes geschaffen wurde, Adam aber als erstes, zumindest noch vor den Tieren. Zweitens muss er die Evolution leugnen, die ein zentrales Ergebnis menschlicher Forschung ist. Gott hat den Menschen einen hohen Verstand mit einem ausgeprägten Forschergeist gegeben, und die Ergebnisse dieser Forschung zu negieren hat immer wieder zu Dogmen geführt, die von der Kirche später kleinlaut zurück genommen werden mussten. Daran, dass es die Evolution des Lebens gegeben hat, dass das Universum ca. 15 Milliarden Jahre alt ist und sich auch laufend entwickelt, kann es keinen vernünftigen Zweifel geben. Wer Gott und sein Tun in die Geschichten eines von Menschen geschriebenen Wortes zwingen will, versucht, Gott klein zu machen, macht sich aber deswegen selbst nur lächerlich.

 

Keineswegs ist es nun so, dass alle Forschungsergebnisse immer richtig sein müssen, andererseits aber auch nicht, dass die Schöpfungsgeschichten etwa falsch wären. Im Gegenteil, die Widersprüche in ihnen lösen sich am besten gerade mit den Ergebnissen moderner Erdgeschichtsforschung auf. Da aber die Menschen vor 3000 Jahren oder früher keine Ahnung von der tatsächlichen Entwicklung der Erde hatten, ich aber an einen puren Zufall in solch komplexen Berichten nicht glauben mag, denke ich, dass die Schöpfungsgeschichte vom Heiligen Geist inspiriert ist (dazu mehr in meiner Abhandlung „Gottes Wort und Gottes Werk“). „Tausend Jahre sind vor dir wie ein Tag“, heißt es in den Psalmen, und niemand käme auf die Idee, daraus eine Art Umrechnungstabelle zwischen menschlichen und göttlichen Tagen zu machen. Ein einzelner Schöpfungstag müsste jedenfalls ungefähr 650 Millionen Erdenjahre lang gewesen sein.

 

Einerseits hat Gott das Universum angestoßen und ihm Regeln gegeben, die wir Naturgesetze nennen, nach denen es sich von selbst immer weiter entwickelte. Dabei hat er sogar „gewürfelt“, also unberechenbare Zufälle mitspielen lassen, was Albert Einstein lange nicht wahrhaben wollte. Auch die Lebewesen hat er gemacht „mit ihren Samen darinnen“ (laut Bibel), dass sie, einmal gemacht, sich selbst weiter vermehren können. Andererseits hat Gott aber die Entwicklung nicht nur den Naturgesetzen und dem Zufall überlassen, sondern ist in seiner Schöpfung präsent, so bezeugen es die Menschen in der Bibel. Angesichts der Fülle von unterschiedlichen Lebewesen mag ich persönlich nicht daran glauben, dass alles vorbestimmt abgelaufen ist in der Evolution, sondern ich bin davon überzeugt, dass Gott hier und da nachgeholfen hat, dem Ganzen eine von ihm gewollte Wendung oder Fülle zu geben. Das ist weder zu beweisen noch zu widerlegen, sondern eine Überzeugungsfrage. Ich weiß mich mit einigen großen Naturwissenschaftlern im Einklang, wenn ich angesichts der extrem unwahrscheinlichen kosmischen Entwicklung zur Erde und zu uns einfach den Eindruck habe, dass wir Menschen von Anfang an „vorgesehen“ waren.

 

Aber nicht nur Gottes Größe, sondern auch die seiner Schöpfung ist und bleibt für Menschen völlig unfassbar, und niemand sollte hergehen und erklären, was Gott sich dabei wohl gedacht habe.



Menschen ohne Paradies

Die Idee, dass man an dem Schicksal von Menschen erkennen kann, ob sie von Gott geliebt werden, halte ich für unhaltbar. Ein schweres Schicksal ist nicht die Strafe Gottes für irgendwelche Verfehlungen. Die Guten haben ja auch keineswegs weniger Schicksalsschläge hinzunehmen als die Bösen, was wohl jeder bestätigen kann. Seit der Vertreibung aus dem Paradies sind Menschen zum größten Teil dem Zufall unterworfen.

Der Mensch wollte seine besondere Fähigkeit, nämlich kreativ zu sein, nutzen, um sein Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen und sich nicht mehr nur auf Gott verlassen zu müssen. Genau genommen wurde der Mensch erst durch den Sündenfall wirklich ein Mensch, denn von da an kannte er Gut und Böse im Gegensatz zu aller anderen Kreatur. Er kann sich entscheiden, muss nicht allein seinen Trieben folgen.

Dass der Mensch darauf bestand, sich nicht mehr auf Gott zu verlassen, sondern sich mit den ihm von Gott verliehenen außerordentlichen Fähigkeiten vollständig auf eigene Füße zu stellen, hat Gott ihm nicht verwehrt. Aber der Mensch wurde nun ebenso vollständig der animalischen Natur unterworfen wie alle anderen Geschöpfe auch.

Eine zeitliche Abfolge, wie in der Bibelgeschichte vom Paradies angegeben, muss man nicht wörtlich nehmen. Der Mensch ist eben generell ein Wesen zwischen Schöpfer und Geschöpf – ein Geschöpf, dass selbst zum Schöpfer wird und das Geschaffene, so weit es ihm erreichbar ist, nach eigenem Verstand oder Unverstand umbaut. Einerseits kann der Mensch im Gegensatz zu anderen Geschöpfen den Heiligen Geist wahrnehmen, denn er weiß, was gut und was böse ist, andererseits unterscheidet er sich im Ablauf der Natur nicht von anderen Geschöpfen, ist sterblich, kann gefressen werden, verhungern oder verdursten, bekommt Krankheiten, kann Glück oder Pech haben, ist vielen reinen Zufällen unterworfen.

Dass Gott einen Menschen, der in Deutschland geboren wurde und im Überfluss aufwachsen konnte, mehr liebt als einen, der in Afrika schon als Kind an Hunger sterben musste, kann ich nicht glauben. Dass bei einer absolut gleichen Belastung, z.B. durch eine kleine Strahlendosis, der eine ohne irgendeinen Schaden einfach weiter lebt, der andere aber an Krebs stirbt, ist nachgewiesenermaßen reiner Zufall, und ich glaube nicht, dass Gott alle Zufälle lenkt. Gott hat uns Menschen eben nicht im Einzelfall, sondern grundsätzlich der Natur unterworfen mit allem, was dazu gehört. Bei schweren Schicksalsschlägen stellt sich nicht die Frage „Warum?“, sondern wie bei allem im Leben nur „Was mache ich daraus?“ Die Diesseitigkeit ist eben nach wie vor nicht die einzige Bestimmung des Menschen.

Andererseits glaube ich durchaus, dass Gott im Einzelfall Zufälle lenkt. Ich glaube an die Wirkung von Gebeten und an Wunder. Aber im Großen und Ganzen sind wir – nicht nur, aber auch – Teil der Natur mit ihren Gesetzen und Zufällen.

Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die Menschen mit ihren kreativen Fähigkeiten der Natur erstaunlich weit trotzen und sie zu ihrer Wohlfahrt nutzen können. Das dürfen die Menschen auch, das sollen sie sogar. Die Mittel der Menschen sind weit weniger begrenzt, als man glaubt. Gegen einen Meteoriten, einen Vulkanausbruch oder einen Tsunami können sie zwar nichts ausrichten, aber alle Opfer solcher Naturgewalten sind insgesamt wenige gegen die Opfer, die durch Menschenhand selbst entstehen. Die mit großem Abstand meisten Opfer fordern die völlig unnötigen Kriege. Verhungern müsste auf der Welt auch niemand; die Erde und unser Erfindungsgeist gibt so viel her, dass jeder satt werden könnten. Jeder könnte sauberes Wasser haben. Der enorme technische Fortschritt könnte zwar Krankheit und Sterben nicht abschaffen, aber das Leben für alle Menschen paradiesischer gestalten, wenn er nur richtig eingesetzt würde. Das alles ist ja nichts Neues; mit diesen Idealen ist bisher jeder gescheitert. Dem Menschen ist gesagt, was gut ist, und er weiß es auch, aber die animalischen Triebe, die er zu seinem Leben gar nicht mehr brauchte, beherrschen ihn trotzdem weitgehend. Sein augenblicklicher Vorteil geht ihm über alles. Das ist die Sünde, in der Menschen gefangen sind. Sie hätten das Wissen und die Fähigkeiten zum Guten. Aber alles andere ist ihnen wichtiger.

Obwohl die Menschheit es besser weiß, wird sie vielleicht so dumm sein, die Erde, die in einzigartiger Weise auf sie zugespitzt entworfen wurde, mit Hilfe ihrer Kreativität zu zerstören, dass heißt, sie für Menschen unbewohnbar zu machen. Genauso war sie in der Lage, Jesus, der unter ihnen als göttliches Vorbild gelebt hatte, bestialisch zu ermorden und sich dabei auch noch im Recht zu fühlen.



Gebet und Gottesdienst

Ein Gebet ist nicht, wie Spötter meinen, eine Gott vorgetragene Wunschliste mit dem Zusatz, Gott möge doch entsprechende Wunder einrichten. Das Gebet ist ein einseitiges Gespräch zu Gott, dass ich nicht nur für mich, sondern auch für Gott führe.

Gott erwartet von seinen Menschen, dass diese ihn, sein Werk und seinen Heiligen Geist anerkennen. Im Gebet lobe ich Gott für seine Schöpfung und danke für alles, was er mir Gutes getan hat. Selbstverständlich ist es nicht möglich, in jedem Gebet wirklich alles zu erwähnen, denn die Menge des Erwähnenswerten ist ja unübersehbar, und wir sollen ja nicht anfangen zu „plappern wie die Heiden“. Auch Bitten werden im Gebet vorgetragen, besonders die, eigene Unzulänglichkeiten zu vergeben. Bitten um das tägliche Wohlergehen oder für Nahestehende, die in Bedrängnis sind, zeigen Gott, dass wir uns unserer Verwundbarkeit und die Grenzen unserer eigenen Möglichkeiten sehr wohl bewusst sind. Nimmt Gott die Gebete so vieler Menschen wirklich auf? Unbedingt Ja, bei denen, die ernstlich seine Nähe und die seines Geistes suchen. Ein Kapazitätsproblem dürfte es für Gott nicht geben. Im Gleichnis vom „ungerechten Richter“ erklärt uns Jesus, dass wir einfach dranbleiben sollen mit unserem Gebet. Dem Bittenden wird am Ende gegeben, der Suchende findet, der Anklopfende wird eingelassen.

Der Gottesdienst, den wir in allen Kirchen regelmäßig feiern, ist nach meinem Verständnis keine Kulturveranstaltung zu unserer Erbauung, sondern ein Dienst an Gott. Wir zeigen damit, dass wir uns die Zeit nehmen, Gott zu ehren, und dass wir uns zu Gott und seinem Heilsplan bekennen. Sicherlich ist eine gute Predigt oder ein Chorgesang eine schöne Ergänzung, wenn sie zum Gotteslob beitragen. Beides ist aber nicht so wichtig wie die gemeinsame Feier des Abendmahles und das gemeinsame Beten des „Vaterunsers“, weil wir wissen, dass wir dabei mit allen Christen der Welt im Gleichklang sind und eine Gemeinschaft bilden.



Das Heilige Abendmahl

Jesus hat das bei den Israeliten übliche Passah-Festmahl vorgezogen, weil er wusste, dass er den richtigen Zeitpunkt nicht mehr erleben würde. Was bei dem Essen geschah, ist recht genau überliefert. Nach dem Essen nahm Jesus noch einmal Brot und zerteilte es unter seine Jünger. Und er nahm einen Becher Wein und sagte: „Trinkt alle daraus!“ Jesus ermahnte die Jünger, die Sitte fortzusetzen zur Erinnerung an ihn, das Brot als seinen Körper, der hingegeben wurde, und den Wein als sein Blut, das vergossen wurde zur Erlösung der Menschen.

Ich bin sicher, dass damit ein Ritual gemeint ist, dass nach einem gemeinsamen Essen der Christen durchgeführt werden sollte und nicht von einer Mahlzeit völlig losgelöst in einer Kirche. Wenn ich andere Christen unserer Gemeinde bei mir zu Hause zum Essen einladen und anschließend Brot und Wein mit den entsprechenden Worten reichen würde, könnte es geschehen, dass man mich für einen Frevler hielte, weil ich kein Pastor bin und trotzdem in so profaner Umgebung ein Heiliges Abendmahl durchführen will. Das Ritual hat sich in den zweitausend Jahren sehr weit von seinem eigentlichen Zusammenhang entfernt. Dennoch halte ich es immer noch für das Heilige Abendmahl, und ich freue mich, es unter Christen, wo ich auch bin, feiern zu können – abgesehen von der katholischen Kirche, in der die Aufforderung „Trinkt alle daraus“ missachtet wird. Aber eines ist gewiss bei allen Christen geblieben: Zum Gedächtnis an den Erlöser Jesus Christus.



Sünde und Erbsünde

Sünde ist das Absondern, die Entfernung von Gott. Ein Hering kennt Gott nicht und damit auch keine Sünde. Ein Mensch kann aber, und wenn er es noch so sehr wollte, nicht sein wie ein Hering. Er vernimmt den Heiligen Geist, auch wenn er ihn ignoriert oder verleugnet. Die Unterscheidung zwischen Gut und Böse ist von Anfang an in ihm angelegt. Sie überlagert seine animalischen Triebe nach ausschließlicher Selbstbehauptung und Reproduktion.

Jeder könnte ohne Sünde leben. Da Menschen bei allem, was sie tun, Entscheidungsfreiheit haben und ihren Trieben nicht unterworfen sind, könnten sie sich immer für Gottes Weg entscheiden. Daran hindert sie nichts und niemand, außer ihrer eigenen Natur.

Wie in der Geschichte vom Paradies und Sündenfall bildlich dargestellt wird, will der Mensch generell seine von Gott gegebenen besonderen Gaben – Freiheit zu Entscheidungen, zu Erfindungen, zum Ignorieren animalischer Triebe – nutzen, um sich von Gottes Welt, insbesondere aber von Gott, unabhängig zu machen. Dies ist von Anfang an in allen Menschen angelegt. Die damit zwangsläufig einhergehende Entfernung von Gottes Geboten, oder auch von Gottes Wesen schlechthin, nennt man Erbsünde. Auch die frömmsten und gutwilligsten Menschen müssen immer wieder feststellen, dass sie durch „Schwachheit“, wie sie es nennen würden, von Gottes Weg abweichen. Sie sind darauf angewiesen, dass Gott ihnen dieses verzeiht, damit sie wieder zu Gott gehören können. Wer ohnehin beschlossen hat, dieses gar nicht anzustreben, braucht auch keine Verzeihung. Gott weiß natürlich, dass die Menschen nur theoretisch in der Lage sind, ohne Sünde zu leben, praktisch aber nicht. Er ist an den Menschen, die zu ihm wollen, interessiert und verzeiht ihnen gern, wenn sie wenigstens den einen, der ein wirklich sündenfreies Leben vorgeführt hat, nämlich Jesus, anerkennen und ihn als – wenn auch unerreichbares – Vorbild sehen und damit zugeben und gleichzeitig bedauern, dass sie sich selbst immer wieder von Gott entfernt und damit gesündigt haben.

Genau so einfach sei das, sagt Jesus. Die Menge von Regeln mehr oder weniger schwerer Sünden, Bußauflagen und ähnliches sind alles Erfindungen von Kirchenmenschen und damit obsolet. Sie mögen Menschen helfen, die sich wegen ihrer Taten grämen, aber ein Geschäft, also Anspruch auf göttliche Verzeihung als Gegenleistung für bestimmte Taten, wird daraus nicht.



Tod und Ewigkeit

Gibt es ein Leben nach dem Tod? Christen glauben daran und halten es für selbstverständlich. Ungläubige glauben nicht daran und halten es für dummes Zeug. Am Tag des Jüngsten Gerichtes, also dem Ende der irdischen Welt, werden beide Gruppen von Menschen feststellen, dass sie Recht hatten.

Die Frage, wann das Jüngste Gericht sein wird, stellt sich dabei nicht. Vielleicht gibt es einen Zeitpunkt, vielleicht auch nicht. Denn damit, dass ein Mensch stirbt, stirbt auch seine persönliche Zeit. Nur lebende Menschen empfinden und messen Zeit. Es kann also durchaus sein, dass der Tod aller Menschen zeitlich genau zusammen fällt, dass heißt, dass das Jüngste Gericht für alle Menschen direkt nach ihrem Tode auftritt.

Dann wird es so sein, dass Gott alle Menschen zu sich ruft, die an ihn geglaubt haben, und ihnen zu einem anderen Leben verhelfen. Also haben diese Recht gehabt. Alle anderen Menschen werden einfach sterben, den Weg gehen, den Lebewesen generell gehen. Also haben auch diese Recht gehabt. Es gibt keine Hölle und keine weitere Bestrafung. Die einzige „Bestrafung“ wird sein, dass die gottlosen Menschen das Jüngste Gericht erleben, dass heißt erfahren, dass sie nicht zu den Auserwählten gehören können. Nach allem, was Jesus lehrt, muss diese Enderfahrung ziemlich schrecklich sein.

Überhaupt muss das Erlebnis des Jüngsten Gerichtes für alle schwer ertragbar sein. Die Menschen werden plötzlich ein Wissen erlangen, dass ihnen vorher völlig verborgen war, über Gottes Welt und sie selbst, und sehen, dass sich alles in ganz anderen Zusammenhängen fügt, die man nie vorausgesehen hätte. Prophetische Bücher in der Bibel, die vom Jüngsten Gericht erzählen, sollte man nicht allzu wörtlich nehmen, sondern mindestens den zeitgenössischen Kontext berücksichtigen. Es wird alles ganz anders sein, als wir es uns heute vorstellen können.

Ein „Fegefeuer“, von dem in der Bibel auch niemals die Rede ist, wird es nicht geben. Nach dem Tod kann niemand mehr zur Gerechtigkeit gelangen, sondern nur vorher. Eine Art Hölle wird allerdings von Jesus erwähnt. Er erzählt eine Geschichte, in der ein fiktiver „armer Lazarus“ nach seinem Tode in Abrahams Schoß liege und ein anderer in der Hölle „Pein leide“, aber mit Lazarus sprechen kann. Da Jesus aber ansonsten immer nur vom Jüngsten Gericht spricht, bei dem die Menschen geschieden werden, niemals aber eine flammende Hölle mit einem Teufel darin erwähnt, gehe ich davon aus, dass es eben eine lehrende Geschichte war, kein Tatsachenbericht.

Unser Wesen wird in der zukünftigen Welt sich nicht mit dem irdischen vergleichen lassen, da die Notwendigkeiten des Irdischen nicht mehr gegeben sind, möglicherweise andere. Jesus sagt dazu nur: Es wird alles ganz anders sein, auch ihr werdet ganz andere Wesen sein. Auf jeden Fall werden wir zu Gott zurück kehren. Und das ist es, was ich wirklich mit Freude erwarte.



Engel

Es gibt keine Engel, die Nachthemden tragen und mit großen Flügeln ausgestattet sind. Diese Figur haben sich Menschen schon in der Antike ausgedacht. (Die in der Bibel genannten Seraphim haben Flügel, sind aber reine Fabelwesen aus mehreren real existierenden Tieren zusammen gesetzt, ähnlich wie der Vogel Greif. Sie spiegeln mehr die Probleme der Menschen, sich Gottes Welt vorzustellen.) Nichtsdestotrotz gibt es Engel.

In der Bibel werden zum einen Wesen aus „der unsichtbaren Welt“, im Prinzip außerhalb des uns zugänglichen Universums, als Engel bezeichnet und in keiner Weise weiter beschrieben. Es wäre nun Unfug, zu bestreiten, dass Gott auch andere Welten außer der unseren gemacht hat. Aber da die anderen Welten mit uns in keine Beziehung treten können, ist es für uns gleichbedeutend, als seien sie nicht vorhanden.

Dann aber gibt es Engel, die Gott als Boten benutzt. Sie werden als „Männer in weißen Kleidern“ oder „mit leuchtendem Antlitz“, manchmal auch als ganz normale Menschen beschrieben und sind Erscheinungen, die bestimmten realen Menschen direkt eine Botschaft überbringen. Diese Engel werden keine Personen sein, sondern Erscheinungen, die der Heilige Geist entstehen lässt und die nach Vollendung ihrer Aufgabe auch wieder verschwinden.

Dagegen dürften „Erzengel“, obwohl in der Bibel genannt, eine menschliche Erfindung sein, weil sie aus der Idee der Vielgötterei stammen. Beim Propheten Daniel, der vor allem dadurch hervortrat, dass er weltgeschichtliche Ereignisse voraussagte, gibt es für jedes irdische Königreich „Engelfürsten“, die es unterstützen und gegeneinander kämpfen. Namentragende Engel (Michael, Gabriel) erscheinen bei ihm zuerst und später nur sehr selten. Andere Erzengel (Rafael, Uriel) kommen in der – genehmigten – Bibel gar nicht vor, sehr wohl aber in jüdischen Traditionen und Sagen. Sie widersprechen dem Grundsatz: Neben Gott gibt es keine auf eigene Rechnung handelnden göttlichen Wesen.



Teufel

Es gibt keinen Teufel. Abgesehen davon, dass ein Teufel auch in der Bibel nur ganz selten überhaupt erwähnt wird, kann es einen personifizierten Teufel, der einen eigenen Willen hätte, als Gegenspieler Gottes auch gar nicht geben. Es gibt nur einen Gott und nicht etwa verschiedene Gottheiten, die sich gegenseitig in die Quere kommen. Auch das Argument, dass der Teufel ja am Ende auch Gott unterworfen wäre, kann nicht gelten, denn die anderen Götter des Olymp waren auch ihrem Chef Zeus unterworfen. Vielgötterei, ganz gleich in welcher Form, ist nach allem, was wir aus der Bibel erfahren, die gröbste Gotteslästerung. Außer Gott gibt es keine übernatürlichen Mächte.

Der Teufel ist ohne Menschen nicht denkbar. Er steckt im Menschen drin. Er ist ein typischer Teil des Menschen. Er ist die Tendenz des Menschen, seinen Trieben auch dann nachzugeben, wenn er es eigentlich nicht sollte, wenn er meint, dass Gott eigentlich etwas anderes von ihm verlangt. Das Streben nach Genuss, Ruhm und Besitz, das Vordrängen vor den Anderen und jede Art von Egoismus sind teuflische Bestrebungen in uns Menschen, von Natur aus sozusagen: „Der liebe Gott muss immer ziehen, dem Teufel fällt's von selber zu.“

Von Jesus werden Teufel in sehr unbestimmtem Zusammenhang genannt, niemals jedoch als seine persönlichen Gegenspieler. Sie sind wie der „Mammon“ oder die „Welt“, wie Luther übersetzt, eben einfach der Zug zum animalischen Trieb, den es zu bekämpfen gilt – in jedem einzelnen Menschen. Auch für Jesus selbst galt dies, wie aus dem Bericht über die Versuchung zu erkennen ist. Im großartigen Buch Hiob ist der Teufel als Person und Gegenspieler Gottes genannt und am Werke. Aber dies Buch ist ein literarisches Werk, in dem der Teufel ebenso personifiziert wird wie z.B. in Goethes Faust. Aus solchen Beispielen darf man nicht schließen, dass es außer Gott noch andere Gottheiten gäbe, die Gottes Gegenspieler wären.



Die unsichtbare Welt

Wir erforschen die Welt, in der wir Leben, mit Eifer, kennen Atombausteine und ferne Galaxien. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es nicht auch Welten geben kann, die zu unserem verstehbaren Universum gar nicht gehören, die aber trotzdem von Gott gemacht wurden. In früheren Zeiten haben sich Menschen bei allem, was sie nicht verstanden, gute oder böse Geister vorgestellt, die das Unverständliche bewirken. Wir wissen heute, dass es diese Geister nicht gibt.

Wenn Jesus von „bösen Geistern“ spricht, die ausgetrieben werden müssten, und nicht von „endogener Psychose“ oder „Epilepsie“, so bedient er sich der Vorstellung seiner Zeit, damit die Menschen ihn verstehen. Gegen Gott gerichtete Geister, gegen die Gott beharrlich kämpfen müsste, gibt es nicht, denn Gott ist nur der Eine.

Auch wenn viele Geister, an die frühere Menschen geglaubt haben, heute vernünftigen Erklärungen Platz gemacht haben, bleibt es dennoch möglich, dass es Wesen gibt, die wie wir eine eigene Persönlichkeit haben, aber nicht zum Universum gehören. Wir wissen es nicht, und wir erkennen Gott allgemein als Schöpfer aller Wesen an – derer, die wir kennen, und derer, die wir nicht kennen.



Heilige

Heilig, also „zum Heil verhelfend“ oder „von Sünden heilend“, ist nur Gott. Die Heilige Taufe und das Heilige Abendmahl, von Christus eingesetzt, verhelfen zum Heil. Heilige Menschen gibt es nicht, es sei denn, man bezeichnet die Summe der Christen, also Christi Körper, mit dem er redet und handelt und damit tatsächlich für den Einzelnen Heil bewirkt, als „Gemeinschaft der Heiligen“.

Unbestreitbar waren die Taten der ersten Apostel und auch anderer Menschen vom Heiligen Geist gelenkt. Damit aber bleiben sogar die Apostel Menschen und werden nicht heilig. Es hat auch keinen Sinn, zu angeblich heiligen Menschen zu beten, denn dass diese im Himmel seien und wir hier unten, ist eine allzu begrenzte menschliche Vorstellung davon, dass die Zeit in der Ewigkeit fortdauere. Es ist ja gar nicht gesagt, dass der Jüngste Tag nicht von allen Menschen gleichzeitig erlebt wird.

Der Heiligenkult insbesondere in Bezug auf Maria hat absurde Züge. Maria war eindeutig die leibliche Mutter von Jesus. Sie wird in der Bibel nur selten erwähnt – abgesehen von den Geburtsgeschichten nur bei der Hochzeit zu Kana, als ihr Sohn seiner Mutter zu Gefallen ein Wunder bewirkt, und bei der Kreuzigung, als Jesus die Sorge für seine Mutter an seinen jungen Freund Johannes überträgt. Ansonsten ist alles, die lebenslange Jungfräulichkeit, die Himmelfahrt oder gar eine „Krönung“ der Maria reine Erfindung, von der in der Bibel nichts steht. Und schon gar nicht ist der Mensch Maria die „Mutter Gottes“, so als wäre Gott erst durch sie entstanden. Maria ist nur die Mutter des menschlichen Teils von Jesus, eine auserwählte, aber ansonsten ganz normale Frau.

Sich Abbilder von „Heiligen“ zu machen und an ihnen sakrale Handlungen vorzunehmen, ist eindeutig Gotteslästerung, denn Gott sagt im Zweiten Gebot: Du sollst dir keine Bildnisse machen . . . sie nicht anbeten , , , usw.



Wunder

Wunder sind Vorgänge, die nach den Naturgesetzen nicht ablaufen könnten, aber auf den Wunsch eines Menschen hin doch ablaufen.

Selbstverständlich gibt es Wunder. Es wäre albern, anzunehmen, dass Gott, der alle Regeln des Universum geschaffen hat, nicht in der Lage wäre, diese Regeln auch zu übergehen. Gott hat die Welt so geschaffen, dass sie nach bestimmten, unerschütterlichen Naturgesetzen abläuft. Das jedenfalls ist heutige Erkenntnis. Aber er hat in die Welt auch den Heiligen Geist mit einfließen lassen. In Verbindung mit dem Heiligen Geist kann der Wunsch eines Menschen ein Wunder bewirken. Dabei bleibt eine schwierige Frage, wie solch eine Verbindung entsteht. Ganz gewiss gibt es da kein Rezept.

Bei den Wundern, die von Jesus überliefert sind, war die Verbindung sicherlich kein Problem. Dabei hat Jesus sehr oft betont, dass nicht er, sondern der wünschende Mensch selbst das Wunder durch seinen Glauben bewirke. „Dein Glaube hat dir geholfen“, ist ein oft gelesener Satz. Wenn Jesus unter Menschen war, die nicht an ihn glaubten, „konnte er dort keine Wunder tun“. Bei entsprechendem Glauben seien Wunder völlig normal, meint Jesus. Mindestens ein Wunder ist überliefert, bei dem er selbst gar nicht willentlich beteiligt war, nur der Glaube der Frau, die ihn berührte.

Wenn auch die meisten Wunder, die Heiligen im Laufe der Jahrhunderte widerfahren oder die von ihnen bewirkt worden sein sollen, schlicht Erfindungen sind, gibt es sicherlich auch weiterhin Wunder, die irgendwelchen Leuten ganz unspektakulär geschehen, wahrscheinlich viel mehr, als den Heiligen angedichtet werden.




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Vorbemerkungen zur Bibel

Die Bibel selbst ist ganz offensichtlich kein einheitliches Werk, und sie ist auch ganz offensichtlich von Menschen geschrieben. Wer beides bezweifelt, kann nicht ernst genommen werden – zu offensichtlich sind die Brüche und Widersprüche im Text, die schon bei einfachem Lesen hervortreten. Da es Literatur genug gibt über dieses Thema, will ich nur ganz grob und leicht verständlich die Grundzüge anreißen.

Die Geschichten von den Erfahrungen der Menschen mit Gott wurden zunächst mündlich erzählt und tradiert. Als es eine geeignete Schrift gab, wurden sie aufgeschrieben. Die Geschichten in der Bibel sind mindestens 3500 Jahre alt.

Es wurden sehr unterschiedliche Geschichten von der Beziehung zwischen Gott und den Menschen tradiert, und sie wurden später auch von sehr unterschiedlichen Menschen und zu sehr unterschiedlichen Zeiten (mehr als tausend Jahre zwischen den Geschichten) aufgeschrieben, und zwar zunächst einzeln. Sie wurden dann mehrfach von „Redakteuren“ gesichtet, ergänzt, korrigiert und schließlich in Schriftrollen zusammen gefasst. Daraus entstand am Ende die Bibel. Alle diese Menschen, die sich mit der Entstehung der schriftlichen Bibel befassten, sind heute nicht mehr bekannt – mit Ausnahme einiger Apostel als Autoren von Briefen. Auch wenn in der Bibel steht „Die Bücher des Mose“ oder „ein Psalm Davids“ ist nicht sicher, ob diese die Autoren waren. Oder die Aussagen des Propheten Jesaja kommen keineswegs alle von dem gleichen Mann. Wenn man das alles bedenkt, ist es erstaunlich, wie einheitlich die Bibel trotzdem ist.

Das liegt daran, dass das ganze Alte Testament eigentlich nur ein einziges Thema hat: Es gibt nur einen Gott, und der ist für euch präsent. Denn die Bibel entstand in einer Umgebung der Vielgötterei. Es war noch hunderte von Jahren nach Christus völlig normal, an viele verschiedene Gottheiten zu glauben. Auch die Israeliten haben immer wieder der Tendenz nicht widerstanden, wie alle anderen sie umgebenden Einwohner mehreren Göttern zu huldigen. Selbst heute noch ist die Tendenz zum Aberglauben ungebrochen bei vielen Menschen. Sie klopfen auf Holz, sie drücken Daumen, sie lesen Horoskope, Sie fürchten sich vor Dämonen, sie beten zu „Heiligen“ usw. Das zentrale Thema aller Geschichten der Bibel ist aber der eine und einzige Gott, der die Welt gemacht hat und der sich heute noch den Menschen zuwendet.

Die Geschichten der Bibel sind – abgesehen von dem Hauptthema – sehr unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen. Da gibt es Märchen, Sagen, Berichte, Geschichtsschreibung, Gesetzte, Lehren, Kunstprosa und Lyrik [siehe Schule/Religion, Jahrgang 9/10, Juden und Altes Testament, Verständnis biblischer Texte]. Auch das muss man berücksichtigen, wenn man Verständnis aus der Bibel ziehen will.

Und zu guter Letzt: Die Geschichten sind sehr alt. Die Menschen waren zwar damals schon genau so wie heute, haben gedacht und gefühlt wie eben Menschen, aber sie hatten eine völlig andere Umgebung, andere Technik, andere Kenntnisse und andere Umgangsbedingungen. Bei manchen Geschichten aus der Bibel ist es zum Verständnis notwendig, dass man sich erst einmal in die damaligen Menschen hineinversetzt, um sie zu verstehen. Denn, wie schon gesagt, die Bibel wurde von Menschen geschrieben. Trotzdem ist sie aber ein Zeugnis von Gott.

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Die Schöpfungsgeschichten in der Bibel

Als ein Mensch, der sich privat und beruflich gleichzeitig mit Naturwissenschaften und Religion beschäftigt, liegt es sehr nahe, dass ich mich mit den Schöpfungsgeschichten – wie entstand die Welt – immer wieder ganz besonders beschäftigte.

Wer den Anfang der Bibel aufmerksam liest, kann auch als Laie sofort feststellen, dass es zwar um die Entstehung der Welt geht, die Gott gemacht hat, aber offensichtlich in zwei Versionen, die völlig unterschiedlich sind und sich auch entscheidend widersprechen. Vom ersten Wort bis Kapitel 2, Vers 3, wird die „Geschichte von den sieben Tagen“ erzählt. Sie ist von der Sprache her ein sehr sachlicher Bericht, in dem einfach nur dargestellt wird, in welcher Reihenfolge Gott die Welt machte, und zwar zuerst das Licht, dann Land und Meer, die Pflanzen, Tiere und ganz zum Schluss Menschen, und zwar von Anfang an als Mann und Frau. Niemand bekommt irgendwelche Namen, niemand kommuniziert, sondern allein Gottes Wille ist tätig.

Die zweite Geschichte beginnt ohne Absatz gleich danach und ist die „Geschichte vom Paradies“. In einer märchenhaften Darstellung, in der Tiere sprechen und Menschen durch das Essen einer Frucht verwandelt werden, macht Gott zuerst einen Mann, danach erst Pflanzen und Tiere, danach eine Frau. Der Sprachstil ist völlig anders, Gott, Menschen und Schlange werden in einer romanhaften Handlung dargestellt.

Bibelforscher sind der Ansicht, dass die „Geschichte vom Paradies“ viel älter ist als die „Geschichte von den sieben Tagen“. Das Thema der „Geschichte von den sieben Tagen“ ist nicht der Mensch, sondern allein Gottes Schöpfung. Die „Geschichte vom Paradies“ handelt dagegen vom Menschen, seiner Besonderheit unter allen Geschöpfen und seiner Beziehung zu Gott.

Die Geschichten als wahrheitslos zu begreifen, ist mit Sicherheit falsch. Sie enthalten beide sehr viel Wahrheit, aber in sehr unterschiedlicher Weise, ja man muss sogar sagen, dass die Geschichten dem Erstleser nur deshalb so seltsam vorkommen, weil er viele wesentlichen, aber nicht genannten und als selbstverständlich vorausgesetzten Zusammenhänge nicht kennt. Wer sich für die Schöpfungsgeschichten interessiert, sollte sich mit ihnen befassen. Dann werden sie immer klarer.

 

 

Gottes Wort und Gottes Werk – die Geschichte von den sieben Tagen



Wenn meiner Ansicht nach auch beide Schöpfungsgeschichten gleich wertvoll und wichtig sind, soll es zunächst einmal um die erste, die jüngere Geschichte gehen, die „von den sieben Tagen“. Vergleichend neben Gottes Wort will ich Gottes Werk stellen, und zwar so, wie wir Menschen es mit unserem Drang nach Erkenntnis bis heute zu erfassen zu vermögen. Dass Wissenschaftler dabei irren können und niemals wirklich alles wird erforschbar sein, bleibt als selbstverständliche Einschränkung immer im Hintergrund. Dennoch ist uns Gottes Werk täglich vor Augen, und wir sind durchaus in der Lage, aus Beobachtungen desselben wichtige Schlüsse zu ziehen. Eine erstaunliche Feststellung dabei ist: Die Geschichte mit den sieben Tagen stimmt gegen den ersten Anschein weitgehend mit der von der Wissenschaft entwickelten Erdgeschichte überein, so gut, dass man sich wundert, wie Leute vor unserer wissenschaftlichen Zeit darauf kommen konnten.

Diese Aussage liegt aber nicht auf der Hand und bedarf einiger Erläuterungen. Zuerst einmal ist zu fragen: Warum kommt uns die Geschichte von den sieben Tagen so unlogisch vor? Wie wäre sie denn logischer? Wenn ein Mensch vor etwa 2500 Jahren auf die Idee gekommen wäre, die Entstehung der Erde in sechs Tagen einigermaßen plausibel darzustellen, wäre er doch beispielsweise eher so vorgegangen:

Am ersten Tag machte Gott die Erde. Er schuf die Berge und das Meer, die Inseln, die Flüsse und die Seen, den Sand und die Steine und alles, was in der Tiefe der Erde vorkommt. Am zweiten Tag machte Gott den blauen Himmel über der Erde. Er machte die Sonne, den Mond und die Sterne und gab ihnen Wege vor, die sie am Himmel gehen mussten. Dadurch entstanden Tag und Nacht. Gott machte auch die Wolken, aus denen es regnet, den Wind und die Gewitter. Am dritten Tag machte Gott die Pflanzen über der ganzen Erde und auch im Wasser. Dadurch wurde die Welt grün. Die Pflanzen hatten jede ihren eigenen Samen und konnten sich selbst fortpflanzen, nachdem Gott sie einmal gemacht hatte. Am vierten Tag machte Gott die wilden Tiere auf der Erde, im Wasser und in der Luft. Er sorgte dafür, dass sie selbst Kinder bekommen und sich fortpflanzen können, nachdem Gott sie erst einmal gemacht hatte. Am fünften Tag machte Gott die Menschen. Die Menschen sind schwierig, deshalb brauchte Gott dafür einen ganzen Tag. Er machte sie ein bisschen gott-ähnlich, sorgte aber dafür, dass auch sie sich fortpflanzen und dadurch selbst erhalten können. Am sechsten Tag machte Gott besondere Tiere, die der Mensch als Vieh nutzen kann, und besondere Pflanzen, die er auf dem Acker anbauen kann, damit er sich nicht nur von wilden Pflanzen und Tieren ernähren muss. Er zeigte den Menschen, wie man damit umgeht. Am siebten Tag ruhte Gott aus und sagte den Menschen, dass sie auch jeden siebten Tag ausruhen sollen.

Solch eine Reihenfolge wäre von jedem sofort zu verstehen. Aber die Geschichte von den sieben Tagen in der Bibel wird völlig anders erzählt, viel verwirrender und auf den ersten Blick unverständlich: Am ersten Tag gab es nur das Licht, aber erst am vierten Tag Sonne und Mond. Pflanzen gab es schon ohne Sonne, für den Himmel brauchte Gott sehr lange und am Schluss überschlugen sich die Schöpfertaten, und sozusagen erst in der letzten Stunde des letzten Tages beschloss Gott, Menschen zu machen. Warum erzählt die Bibel in solch einer Reihenfolge? Ganz einfach: Weil es wirklich so war!

Durch die Forschung wissen wir heute viel über die Vergangenheit der Erde. Ein Vergleich mit der Geschichte von den sieben Tagen verblüfft uns dann, wenn wir drei Voraussetzungen annehmen:

1. Wir müssen bedenken, was die Menschen vor 3000 Jahren von der Welt gedacht haben. Für sie war die Erde eine Scheibe mit einer großen Himmelskuppel darüber. So sieht sie ja auch heute noch aus. Auf dieser Scheibe ist das feste Land in der Mitte. Rundherum ist das Wasser der Ozeane (tatsächlich kamen die Menschen ja überall ans Meer, wenn sie nur lange genug gingen). Über der Himmelskuppel vermuteten die Menschen ebenfalls viel Wasser, weil es regnet, wenn „die Schleusen des Himmels geöffnet“ wurden. Diese Himmelsglocke musste also etwas sehr stabiles sein, wenn sie so viel Wasser tragen konnte. An der Himmelskuppel wurden Sonne, Mond und Sterne als Lichter auf Bahnen gezogen, die teilweise sehr regelmäßig, teilweise weniger regelmäßig, aber doch berechenbar waren. Die weniger regelmäßigen, sozusagen aus der Reihe tanzenden Gestirne (Sonne, Mond, Planeten) wurden damals in allen Kulturen des biblischen Kulturbereiches als Götter angesehen. Diese „babylonische“ Vorstellung von der Beschaffenheit der Welt ist Grundlage der Schöpfungsgeschichte, was ja auch völlig verständlich ist.

2. Die Bibel beginnt die Erzählung nicht mit der Entstehung des Universums, auch nicht mit der Entstehung des Sonnensystems, also mit der Erde, sondern mit dem Urregen, als der Planet Erde schon entstanden war. Erst von da an wird die Entwicklung dargestellt. Was vorher war, wird nicht erwähnt.

3. Es wird nicht aus Gottes Sicht erzählt, sondern so, wie ein imaginärer Beobachter auf der Erde die Entwicklung gesehen haben müsste, wenn es damals einen gegeben hätte. In Wirklichkeit gab es natürlich keinen Menschen zu der Zeit. Man stelle sich also nur vor, es hätte damals jemanden gegeben: Was hätte der – gefangen im Babylonischem Weltbild – gesehen und berichtet?

4. Der Vorstellung, dass Gott wie ein Zauberer die Welt Stück für Stück plötzlich hervor rief, widerspricht die Schöpfung selbst. Diese zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass hochkomplex eines in das andere greift. Es können z.B. nicht alle Pflanzen vor den Tieren entstanden sein, weil viele Pflanzen Tiere brauchen, um zu leben und sich fortzupflanzen. Der Erzähler markiert jeweils nur den Anfang einer neuen Schöpfungsreihe, die sich dann über die folgenden Tage noch hinzieht, auch wenn es ihm wichtig ist, die kommende Artenvielfalt immer sofort darzustellen.

 

 

Heutige Kenntnisse zur Erdgeschichte

 

Bericht der Bibel

Anmerkungen

Vor 15 Milliarden Jahren entstand das Universum durch den „Urknall“. Energie, Materie, Raum und Zeit entstanden. Der Raum dehnte sich sofort sehr schnell aus.

Im sich bildenden großen Weltall entstanden, verbrannten und explodierten Sterne und Sternsysteme. Dabei dehnte sich das All immer weiter aus.

Vor etwa 4,6 Milliarden Jahren begann die Sonne zu leuchten. Sie entstand genau wie andere Sterne durch Zusammenballung riesiger Gasmassen aus dem Weltall.

Mit der Sonne entstanden auch die Planeten. Die Erde sammelte besonders viel Weltraum-Staub aus früher schon explodierten Sternen und besteht deshalb aus vielen verschiedenen Elementen.

Die Erde war zuerst glutflüssig und wurde durch das Auftreffen immer neuer Materie aus dem All ständig aufgeheizt. Auch die vielen radioaktiven Stoffe heizten sie auf. Die gasförmigen Stoffe konnte die Erde nicht halten; sie wurden durch die Strahlung der Sonne „weggeblasen“.

Weil die Sonne, die Planeten und auch die Erde ständig Teilchen aus dem Sonnensystem anzogen, wurde es um die Erde langsam leerer. Immer weniger Teilchen schlugen ein. Jetzt strahlte die heiße Erde mehr Energie in das Weltall ab, als sie durch Einschläge aufnahm. So kühlte die Erde außen langsam ab.

Vor etwa 4 Milliarden Jahren war die Erde soweit abgekühlt, dass ihr Gestein an der Oberfläche eine feste Kruste bildete. Noch immer schlugen oft Meteoriten ein. Vulkane schleuderten eine große Menge Gase aus, die als Atmosphäre über der jetzt kühleren Erdoberfläche verblieben. Es waren hauptsächlich Wasserdampf, Kohlendioxid, Ammoniak und Methan. Die beiden letzteren wurden durch die harten Strahlen der Sonne langsam verändert.

 

Hierzu sagt die Bibel nichts.

Die Atmosphäre wurde durch ständige Vulkanausbrüche immer dichter, bis es stockfinster wurde auf der Erde, abgesehen von den Blitzen der häufigen Gewitter und der Lavaglut bei ausbrechenden Vulkanen. Die große Menge Wasserdampf konnte nicht zu Wasser werden, weil es auf der Erde zu heiß war. Das gesamte Wasser, das heute die Ozeane füllt, befand sich mit den anderen Gasen in der Atmosphäre. Im oberen Teil aber kühlte das Wasser ab, wurde zu Regen, fiel herunter, verdampfte schnell wieder. Dieser ständige, ungeheure Regen hat wohl fast eine Milliarde Jahre gedauert.

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.





Die Erde aber war wüst und wirr. Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.

Dieser erste Satz ist wohl nur eine Überschrift.



 

 

Das Chaos in der Zeit des Urregens. Aber der Schöpfergeist war tätig.

Vor 3,5 Milliarden Jahren hatte sich die Erde durch den ständigen Regen so weit abgekühlt, dass nicht mehr alles Wasser sofort verdampfte. Es blieb auf der Erde liegen und strömte in die tieferen Täler, bis es wieder verdampfte. Die unvorstellbaren Wasserflüsse formten die Erdoberfläche, kühlten sie aber auch weiter ab. Da eine große Menge Wasser jetzt auf der Erde blieb und nicht in der Atmosphäre, wurden die Wolken dünner. Das Sonnenlicht konnte hindurch scheinen. Und weil sich die Erde auch damals schon drehte, wurde es tagsüber hell, nachts blieb es dunkel.

Erster Tag: Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. So wurde aus Abend und Morgen der erste Tag.

Der „fiktive Beobachter“ sah, wie sich Dunkelheit und Helligkeit abwechselten, allerdings bei pausenlosem Regen. Das geschah ganz allmählich und reichte bis in den vierten Schöpfungstag hinein.

Vor 3,1 Milliarden Jahren, nach weiterem Abkühlen, war die Atmosphäre nicht mehr voller Nebel, sondern die Wolken waren oben und die wasserüberströmte Erde war unten. Dazwischen war eine lebensfeindliche Atmosphäre, durch die der Regen fiel.

 

Zweiter Tag: Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser oberhalb und unterhalb des Gewölbes. Und Gott nannte das Gewölbe Himmel. …

Das „Gewölbe“ ist eine Vorstellung aus dem babylonischen Weltbild (s.o.). Der „fiktive Beobachter“ sah also jetzt nicht nur Helligkeit, sondern ganz allmählich ein wolkenverhangenes Himmelsgewölbe.

Ganz allmählich sammelten sich immer mehr Wassermassen, die nicht verdampften, im Meer.

Vor etwa 2,5 Milliarden Jahren entstanden im Wasser die ersten Blaualgen. Es waren primitive Einzeller-Algen, die aber das Licht zur Photosynthese nutzen konnten - wie unsere heutigen Pflanzen. Die Blaualgen veränderten die Welt sehr. Sie bauten Kohlenstoff in sich ein und erzeugten Sauerstoff im Wasser, der wahrscheinlich auch Eisenerz und Kalkstein entstehen ließ.

Vor 1,5 Milliarden Jahren war die Oxidation in den Weltmeeren abgeschlossen, und der noch immer produzierte Sauerstoff kam nun in die Luft. Durch den Sauerstoff entstand die Ozonschicht, die lebensfeindliche UV-Strahlen der Sonne von der Erde fernhält.

Dritter Tag: Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. Das Trockene nannte Gott Land und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war. Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen … So geschah es. Gott sah, dass es gut war

Mit dem Meer entstanden auch die ersten Pflanzen, aber zunächst auch nur im Meer, und dazu sehr primitive. Trotzdem vereinigten sie zwei entschei- dende Schöpfungsakte: a) die ersten Lebewesen und b) die Photosynthese.

Pflanzen sollen sich selbst vermehren, Gottes Schöpfung also selbständig fortsetzen.

Die Erde war inzwischen abgekühlt. Die Wolken wurden immer dünner, und schließlich war ab und zu auch der blaue Himmel zu sehen. Wolken und Regen gab es jetzt nicht mehr andauernd, sondern nur manchmal. Die Luft bestand jetzt fast nur noch aus Stickstoff, Kohlendioxid und Sauerstoff mit ein wenig Wasserdampf.

Vierter Tag: Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen Zeichen sein von Festzeiten, Jahren und Tagen …Gott machte die beiden großen Lichter … dazu auch die Sterne

Der „fiktive Beobachter“ sieht Sonne, Mond und Sterne erst, nachdem die Wolken verschwunden sind. Ozeane sind Voraussetzung für blauen Himmel.

Der Sauerstoff machte das Atmen möglich. Vor etwa 600 Millionen Jahren entstanden im Wasser die ersten Tiere, z.B. Muscheln, Schnecken usw.

Durch die wachsende Ozonschicht geschützt besiedelten vor etwa 500 Millionen Jahren die ersten Pflanzen das Land. Sie verbrauchten das Kohlendioxid und ließen noch mehr Sauerstoff entstehen.

Vor 400 Millionen Jahren gab es wohl die ersten Fische - und damit die ersten Wirbeltiere. Erste Insekten breiteten sich in der Luft aus.

Fünfter Tag: Dann sprach Gott: Das Wasser wimmle von lebendigen Wesen und Vögel sollen über dem Land am Himmelsgewölbe dahin fliegen. Und Gott schuf alle Arten von Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt… Und Gott sprach: Seid fruchtbar und vermehrt euch…

Im Wasser entstanden die ersten Lebewesen, in der Bibel sehr verkürzt dargestellt.

Vögel flogen aber noch nicht durch die Luft, sondern eher Insekten.

Vögel sind Warmblüter. Sie gab es erst mit den Säugetieren.

 

Vor 300 Millionen Jahren besiedelten die ersten Tiere - Amphibien und Reptilien - das Land.

Vor 200 Millionen Jahren gab es Saurier, Vögel und erste Säugetiere.



Seit 2 Millionen Jahren gibt es Menschen.

Sechster Tag: Dann sprach Gott: Das Land bringe alle Arten von lebendigen Wesen hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des Feldes. So geschah es. …

Dann sprach Gott: Ich will Menschen machen, als mein Abbild, mir ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres …

Gott schuf also die Menschen als sein Abbild. Als Abbild Gottes schuf er sie. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar , bevölkert die Erde, unterwerft sie euch …

Tiere des Feldes“: jagdbare wilde Tiere. „Kriechtiere“: Insekten, Spinnen, Würmer, Schnecken, Schlangen usw.



Menschen als Wesen mit eigener Erkenntnis und eigener Schöpferkraft: Gott ähnlich. Sie gab es vergleichsweise erst im allerletzten Moment.

 

Die „Geschichte von den sieben Tagen“ entstand wohl zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft. Sie setzt den verschiedenen heidnischen Schöpfungsmythen, die die Weltentstehung als Kampf antagonistischer Gottheiten darstellen, einen kurzen, sachlichen Bericht entgegen, in welcher Reihenfolge Gott die Welt der Menschen gemacht hat. Das „Wie“ der Schöpfung ergibt sich allein aus Gottes Willen. Gott erschafft und lässt die Geschöpfe sich selbst vermehren und entwickeln. Himmelslichter sind keine Götter, sondern eben nur Lichter. Gott schuf eine sachliche Ordnung.

Bemerkenswert sind dabei vor allem:

  1. Die Reihenfolge der Schöpfung passt fast in allem zu dem, was die Forschung uns heute bestätigt. Der „fiktive Beobachter“ hätte recht präzise in der Erdentwicklung das gesehen, was in der Bibel steht, vor allem in den ersten Schöpfungstagen.

  2. In der Zeiteinteilung auf die sechs Tage spiegelt sich wider, dass die Entwicklung auf der Erde tatsächlich zuerst ganz langsam, dann immer schneller voran ging. Gott braucht vier der sechs Tage, bis der blaue Himmel entsteht, aber für den Menschen nur den Rest des sechsten Tages. Ein Schöpfungstag dürfte konstant ungefähr 650 Millionen Jahre lang gewesen sein.

Das ist deshalb so erstaunlich, weil wir die Entwicklung der Erde erst seit Kurzem aus der Forschung her kennen. Vor 100 Jahren war dies noch nicht der Fall, und erst recht nicht vor Tausenden von Jahren, als diese Geschichte entstanden sein muss.

Als weiterer interessanter Gesichtspunkt ist zu bemerken, wie mehrfach betont wird, dass die Geschöpfe Gottes ihren Samen in sich tragen und sich selbst vermehren. Gott hat in diesem Schaffen also praktisch den Start initiiert, danach vermehrten und entwickelten sich die Lebewesen selbst weiter, denn die Umwelt, die Gott für sie geschaffen hatte, war „sehr gut“, wie immer wieder betont wird.

 

Der dualistische Mensch – Die Geschichte vom Paradies

Es ist nicht verwunderlich, dass in der Bibel eine märchenhafte Schöpfungsgeschichte erzählt wird, denn in früheren Zeiten wurden ja viel mehr Wahrheiten durch Erzählungen weitergegeben, und im Orient war und ist das erst recht der Fall. Das bedeutet aber nun keineswegs, dass eine fiktive Geschichte keinen Inhalt oder keine Wahrheit hätte. Alle großen Dichter der Welt haben Wahrheiten und Einsichten in fiktiven Geschichten transportiert. Selbstverständlich bedarf aber eine Erzählung, in der Tiere sprechen und Menschen durch das Essen einer Frucht verwandelt werden, wie wir es ja auch aus anderen Märchen kennen, viel mehr Einfühlung und auch viel mehr Interpretation als ein mehr sachlicher Bericht, wie es die Schöpfungsgeschichte von den Sieben Tagen ist. Wer eine märchenhafte Geschichte erzählt, will auch, dass man drüber nachdenkt, und nicht, dass man sie einfach nur auswendig lernt.

Mein Nachdenken ist nun in keiner Weise wissenschaftlich, denn ich selbst habe keine Sekundärliteratur zur Bibel, sondern immer nur die Bibel selbst gelesen. Im theologischen Austausch mit anderen kann man wahrscheinlich noch zu viel umfassenderen und auch fundierteren Überlegungen kommen. Aber auch ohne das sagt mir die Bibel viel.

Gott machte Adam aus Erde und baute die ganze Schöpfung um ihn herum auf. Wenn ich Adam als Person ansehe und mich frage, wieso es schon Erde gegeben haben kann, und wenn ich versuche, anhand der genannten Flüsse, die es ja wirklich im Orient gibt, den historischen Ort des Paradieses ausfindig zu machen, bin ich gewiss auf dem Holzweg. „Adam“, das ist kein Name, das ist „Mensch“. Der Mensch wurde aus Erde gemacht, das heißt, er ist ein Teil der Schöpfung, und es ist ja auch tatsächlich so, dass der Mensch mittelbar über Pflanzen und andere Tiere aus Erde und Luft aufgebaut ist und auch wieder zu Erde und Luft wird, wie wir es bei jeder Beerdigung vom Pastor hören. Insofern ist der Mensch nichts Besonderes: Er ist aus „Erde“ wie alles andere auch. Das ist sein animalischer Anteil, der die Art Mensch nicht unterscheidet von allen anderen Lebewesen der Schöpfung.

Aber Gott hat ihm „seinen Atem“ eingegeben, und dadurch wurde der Mensch - und nur der Mensch - ein „lebendiges Wesen“, ein Wesen mit göttlichem Anteil. Ihm zur Freude machte Gott alle Tiere. Der Mensch sollte sie benennen - und das kann auch nur ein Mensch. Tiere benennen nichts. Keines der Tiere war dem Menschen auch nur so ähnlich, dass er es zu seinem Freund hätte machen können. Der Mensch ist herausgehoben, unvergleichlich unter der Schöpfung. Um dem Menschen einen Gefährten zu machen, der ihm ebenbürtig ist, musste Gott in der Geschichte vom Paradies einen zweiten Menschen - einen weiblichen - aus einem Teil des ersten anfertigen. Auch das Wort „Eva“ ist kein Eigenname, wie in der Bibel steht („Männin soll sie heißen, denn vom Mann ist sie genommen“, übersetzt Luther).

Adam war ja allein, der einzige Mensch schlechthin, und hatte kein Geschlecht. Mit dem zweiten Menschen hat Gott die Menschen geschlechtlich gemacht und ihnen einen ausdrückliches Vermehrungsgebot gegeben. Damit hat Gott die Menschen noch weiter in die Nähe der Tiere gerückt.

Es hat überhaupt keinen Sinn, bei dieser Geschichte zeitliche Fragen zu stellen und logische Abfolgen zu suchen. Die Begebenheiten haben alle einen hohen Symbolwert. Es geht hier um den Menschen an sich und den Widerstreit in ihm selbst und damit auch um sein Verhältnis zu Gott.

Zunächst umschreibt die Geschichte vom Paradies die Stellung des Menschen. Er ist ganz normaler Teil der gewaltigen Schöpfung, aber doch etwas Besonderes. Der Mensch ist ein dualistisches Wesen aus zwei Welten, die eigentlich nicht zusammen passen, und hat deshalb einen animalischen und einen göttlichen Teil in sich.

Animalischer Teil am Menschen:

  • Der Mensch muss essen, trinken, schlafen, und sich selbst erhalten wie alle anderen Lebewesen auch.

  • Der Mensch muss sterben wie alle anderen Lebewesen auch.

  • Der Mensch pflanzt sich geschlechtlich fort wie die anderen höheren Lebewesen auch.

  • Der Mensch hat angeborene Triebe wie andere Lebewesen auch.

Göttlicher Teil am Menschen:

  • Der Mensch ist selbst ein Schöpfer. Er ist das einzige Geschöpf, dass sich selbst etwas ausdenken kann, was es vorher noch nicht gab.

  • Der Mensch kennt Gott.

  • Der Mensch hat einen freien Willen und muss seinen Trieben - in positiver und negativer Richtung - nicht folgen.

  • Der Mensch hat Anteil am Heiligen Geist und kann damit gut und böse unterscheiden.

 

So weit zur Stellung des Menschen in der Schöpfung. (Vor dem Sündenfall waren diese Anteile etwas anders: Der einzige Mensch sollte nicht sterben müssen, dafür konnte er aber nicht gut und böse unterscheiden.)

Aber warum erzählt die Geschichte, dass der Mensch vor allem gemacht wurde? Das widerspricht der Logik, der Beobachtung in der Natur und dem anderen Bericht der Bibel, in dem der Mensch völlig folgerichtig ganz zum Schluss gemacht wird.

Ich denke, die Geschichte vom Paradies will uns sagen, dass die ganze große Schöpfung, die uns heute ja noch viel größer erscheint als den Menschen der alten Bibel, nur auf den Menschen hin von Gott gemacht wurde. Diese Überlegung ist auch für einen Naturwissenschaftler, wenn er denn eine Sinnfrage stellt, nicht abwegig. So schreibt Steven Weinberg in seinem bekannten Buch „Die ersten drei Minuten“, in dem er die Erkenntnisse über den Urknall und das dabei entstehende Universum zu erklären versucht, am Ende einer Betrachtung über die „anheimelnde“ Erde in einem „überwiegend lebensfeindlichem Universum“: „Der Vorstellung, dass wir ein besonderes Verhältnis zum Universum haben, dass unser Dasein nicht bloß eine Farce ist, die sich aus einer mit den ersten drei Minuten beginnenden Kette von Zufällen ergab, sondern dass wir irgendwie von Anfang an vorgesehen waren - dieser Vorstellung vermögen wir Menschen uns kaum zu entziehen.“

Und wie passt der Sündenfall da hinein?

Der Mensch war also von Gott geschaffen als ein besonderes Wesen: Er hat große Möglichkeiten und eigene Entscheidungsfreiheit, soll sich aber immer nur für Gott entscheiden.

Mit dieser Aufgabe ist der Mensch von Anfang an überfordert. Ist es überhaupt möglich, die Freiheit der Wahl zu haben und sich dann immer nur für das eine zu entscheiden, die Freiheit also niemals zu nutzen? Möglich ist das schon. Man denke an einen attraktiven, aber treuen Ehepartner, der auch immer die Wahl hat, sich aber beständig nur für seine Ehe entscheidet. Aber im Paradies geht es offensichtlich um viel mehr. Es geht um das Menschsein an sich, den Drang nach eigener Erkenntnis und danach, die Freiheit zu nutzen. Eva nahm die Frucht nicht, um Gott zu ärgern, sondern „weil sie klug macht“. Nicht umsonst heißt es „Baum der Erkenntnis“. Sie wollte ihre Möglichkeiten als Mensch voll ausschöpfen. Man kann mit gutem Grund sagen, dass Eva der erste Mensch war, denn ohne Erkenntnis von gut und böse und ohne vom geraden Pfad abzuweichen ist ein Mensch noch kein Mensch. Niemand wird behaupten wollen, dass Gott von dem Sündenfall überrascht worden wäre. Auch er gehört sicherlich zum göttlichen Plan.

Was änderte sich durch den Sündenfall für den Menschen?

(Der animalische Anteil ist in folgender Gegenüberstellung kursiv gedruckt.)



Vor dem Sündenfall:

Nach dem Sündenfall:

Der Mensch lebt durch Stoffwechsel und vermehrt sich wie andere Lebewesen auch.

Der Mensch lebt durch Stoffwechsel und vermehrt sich wie andere Lebewesen auch.

Er muss sich aber um sein Leben im Paradies keine Sorgen machen.

Aber er muss dafür schwer arbeiten und sich wie alle Lebewesen um sein Überleben bemühen.

Der Mensch kennt Gott.

Der Mensch kennt Gott.

Der Mensch lebt ewig im Gegensatz zu allen anderen Lebewesen.

Der Mensch muss sterben wie alle anderen Lebewesen auch.

Der Mensch ist ein eigener Schöpfer.

Der Mensch ist ein eigener Schöpfer.

Der Mensch hat eigene Entscheidungsfreiheit und ist nicht nur seinen Trieben unterworfen.

Der Mensch hat eigene Entscheidungsfreiheit und ist nicht nur seinen Trieben unterworfen.

Der Mensch kennt kein gut und böse wie die Tiere auch nicht.

Der Mensch kennt gut und böse wie Gott.

Der Mensch kennt keine Scham ob seiner Geschlechtlichkeit.

Der Mensch ist sich seiner Besonderheit bewusst, schämt sich seines animalischen Anteils und damit seiner Geschlechtlichkeit.



Man sieht, dass sich die Verhältnisse verschoben haben, aber nicht nur in eine Richtung. Nach dem Sündenfall ist der Mensch einerseits mehr animalisch geworden (er muss sterben), andererseits aber auch mehr göttlich (Erkenntnis von gut und böse). Die Schlange als die personifizierte Versuchung lügt nicht, wenn sie Eva sagt: Du wirst keineswegs sterben, sondern dir werden die Augen aufgehen und du wirst sein wie Gott, denn du erkennst gut und böse. Es ist das „Kleingedruckte“, das Eva nicht beachtet, mit gutem Grund auch „Pferdefuß“ genannt: Nein, sie wird nicht sofort sterben, aber das ewige Leben ist dahin. Ja, sie wird wie Gott, aber nur in diesem einen Punkt, dass sie Gut und Böse unterscheiden kann. Mit der Sünde, also der Abkehr von Gott, begibt sich der Mensch auf den mühsamen eigenen Weg. Er kann sich an seiner eigenen Erkenntnis und seinen eigenen Erfolgen freuen, bleibt aber Gefangener der „Welt“, aus der er aus eigener Kraft nicht mehr zu Gott - ins Paradies - kommen kann.

Die Schlange ist also keineswegs der Teufel, sondern die eigene Begierde, die in dem Menschen wohnt. Weder in der einen noch in der anderen Schöpfungsgeschichte kommt ein Teufel oder Satan überhaupt vor. Auch wenn in anderen Zusammenhängen in der Bibel durchaus von einem mächtigen Verführer, dem Satan, die Rede ist, kann mit gutem Grund gesagt werden, dass es einen persönlich identifizierbaren Teufel in Gottes ganzer Schöpfung nicht gibt. Der Teufel steckt im Menschen selbst; er ist ein Teil von ihm.